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Eiswolken im Chemielabor

Thomas Koops unterkühltes Wasser

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Der Traum ist alt: Man lässt sich einfrieren und nach 100 Jahren auftauen. Das Problem: Der Organismus würde beim Aufwärmen Schaden nehmen - wie auch Gefriergut und Organe eine Lagerung bei Minusgraden nicht problemlos überstehen. Wie biologisches Gewebe Tiefkühlung und Auftauen schadlos mitmachen könnte, untersucht Prof. Dr. Thomas Koop, der an der Uni Bielefeld in der Physikalischen Chemie lehrt und forscht.

Wasser gefriert bei Null Grad. Meint der Laie. Aber weit gefehlt: Es kann viel kälter sein und doch flüssig bleiben. »Unterkühlt« nennen es die Wissenschaftler dann mit leichtem Understatement. Und stürzen sich mit Feuereifer darauf, die Eisbildung zu erforschen.
»Nebel und Wolken bestehen oft aus unterkühltem Wasser, aus Tröpfchen, die erst bei minus 40 Grad gefrieren«, erklärt Koop. Sind allerdings Schwebteilchen in der Luft, bilden sich an ihrer Oberfläche schon bei minus zehn Grad Eiskristalle. Wüstenstaub, Pollen oder auch Rußpartikel wirken dann quasi als »Eiskeime«.
Die Bildung der Wolken, die dichter oder lichtdurchlässiger sein können, schneller oder gar nicht abregnen, hat Auswirkungen auf chemische Reaktionen in der Atmosphäre und das Erdklima. Denn Wolken reflektieren 30 Prozent des Sonnenlichtes direkt ins All, sie beschatten Landstriche und beeinflussen die Temperatur.
Koop und seine Mitarbeiter imitieren die Wolkenbildung im Labor. Dazu benutzen sie Emulsionen: kleinste, mikrometergroße Wassertropfen in Öl. »Wenn wir die Prozesse der Wolkenbildung besser verstehen, können wir die Unsicherheiten in Klimamodellen reduzieren und besser vorhersagen, wie das Klima im Jahr 2100 sein wird.« Und vielleicht, meint der Chemiker, könne man dadurch Politiker zum Handeln bewegen.
Daneben aber erforschen die Wissenschaftler die Eisbildung in Zellen. Wenn Gewebe aufgetaut wird, bilden sich die kleinen Eiskristalle darin um zu großen Kristallen. Diese aber können die Zellmembran zerstören. »Nun gibt es Pflanzen, Insekten und Fische, die sich an Temperaturen unter Null angepasst haben. Von ihnen wollen wir lernen«, sagt Koop. Diese Lebewesen bilden Proteine, die das Eiswachstum verhindern - indem sie sich schlicht auf der Eisoberfläche ablagern. Den Trick wollen die Chemiker kopieren, allerdings sind diese Proteine sehr instabil und im Reagenzglas nicht nachzubilden. Erste Versuche mit künstlich hergestellten Molekülen waren aber erfolgreich. »Ein langfristiges Ziel wäre, Gefrierschutzmoleküle zu entwickeln, die Gefrierschäden an Tiefkühlkost und Organen verhindern.«

Artikel vom 29.09.2006