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Leonardo da Vinci

»Merke, Mensch: In der Natur ist kein Irrtum, der
Irrtum ist in dir.«

Leitartikel
Nachrichten aus der Natur

Von »SAU« und
langen Ohren


Von Rolf Dressler
Wer die Menschen ganz unbefangen über ihre Mitgeschöpfe phantasieren, neu- oder altklug reden und naturfern urteilen hört, kann sich auch schon mal tierisch ärgern oder befreiend lachen - je nachdem.
Denn wie auch anderwärts im gewöhnlichen Alltagsleben finden schlagzeilenträchtige Übertreibungen und Untergangsbeschwörungen das breiteste Publikum, den stärksten Widerhall. Hätten sich die düsteren Prophezeiungen allein der letzten 30, 40 Jahre tatsächlich erfüllt, müssten die allermeisten Arten in Flora und Fauna längst hinübergegangen sein in das, was der Indianer die »ewigen Jagdgründe« nennt.
Gottlob aber hat uns eine gütige höhere Macht und deren schützende Hand bislang noch vor dem »SAU«, dem schlimmsten anzunehmenden Unglück, bewahrt - jedenfalls zumindest bis zu diesem 29. September 2006.
Ja, oh Wunder, allen Aussterbe-Unkenrufen zum Trotz mehren sich seit geraumer Zeit sogar Nachrichten, die Überraschendes verheißen und eben auch Hoffnung darauf nähren, dass »Mutter Erde« längst nicht rettungslos verloren ist, wenn der Homo sapiens die Einsicht walten lässt, zu der er fähig ist.
Jüngst erst entdeckten findige Forscher mit verständlicher Freude und Begeisterung auf einen Streich gleich sage und schreibe fast 200 Meeresbewohner, von deren Existenz in den nachtdunklen, tiefsten Tiefen der Ozeane zuvor niemand überhaupt gewusst hatte.
Regelmäßige Großzählungen namentlich auch in Schleswig-Holstein und Niedersachen erbrachten die frohe Kunde, dass ausgerechnet der schon oftmals fast totgesagte Spatz oder Haussperling der gefiederten Konkurrenz voranfliegt: Er ist (wieder) der am weitesten verbreitete Gartenvogel, gefolgt von Amsel und Kohlmeise.
In Mainfranken, zwischen Würzburg und Kitzingen, sind Naturfreunde hochbeglückt, weil die Wiesenweihe, eine beinahe schon verschwundene Art, dort wieder sesshaft geworden ist und Jahr um Jahr an Zahl kräftig zulegt. Ein famoses Greifvogelschutzprogramm hat diese Wende bewirkt.
Natürlich bleibt zu Sorgen Anlass. Seit etwa 1970 sind 51 von 121 Zugvogelarten erheblich geschrumpft. Massive Wilderei dezimiert die Bestände des prächtigen Indischen Tigers dramatisch. Des Volkes Gier auf den Stier in Spanien ist ungebrochen. Die Japaner wollen endlich wieder höhere Wal-Abschussquoten. Undsoweiter.
Als Problembär »Bruno« in Tirol und Bayern unterwegs war, kam auch der »Problemmensch« als solcher ins Gerede. Am 4. Oktober ist Welttierschutztag.
PS. Apropos Tier- und Menschenwelt. Anlässlich der Uraufführung seiner Oper »Idomeneo«, die jetzt in Berlin übereilfertig aus dem Spielplan gestrichen wurde, schrieb weiland Wolfgang Amadeus Mozart: »In dieser Oper ist Musik für alle Gattung Leute, ausgenommen für lange Ohren.«
Der grandiose Meister meinte damit hintersinnig - Esel. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Artikel vom 29.09.2006