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Untergang in der Sonne

Cottbuser Klassenkämpfer: Sander war richtig sauer

Bielefeld (WB/klü). »Im Osten geht die Sonne auf!« Das steht am Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Energie Cottbus. Doch als das glitzernde Vier-Sterne-Gefährt in Richtung Heimat rollte, da ging sie im Westen gerade unter.

Wie die Lausitzer in Bielefeld. Nach einer strahlenden ersten Halbzeit und einer hoch verdienten 1:0-Führung standen sie anschließend im Dunkeln - obwohl die Sonne noch immer über Ostwestfalen lachte.
Petrik Sander lachte da schon längst nicht mehr mit. Der Cottbuser Trainer war restlos bedient. »Da liefern wir erstklassige 45 Minuten ab, besser können wir auswärts nicht mehr spielen.« Und dann? »Dann begehen wir Selbstmord, sägen uns selbst den Ast ab.« Mit einem 2:0, 3:0, ja sogar mit 4:0 hätte seine Auswahl in die Kabine gehen können, stellte Sander später verärgert fest: »Aber wir lagen nur mit einem Tor vorn.«
Und der Coach warnte seine Mannschaft: »Die Bielefelder sind total nervös und verunsichert, die Zuschauer schon schwer sauer. Wir müssen nur die ersten fünf Minuten überstehen, dann bringen wir das Ding locker über die Bühne.« Nach 48 Minuten hieß es dann aber schon 1:1.
»Einwurf. Ein langer Pass. Tor.« So kommentierte Sander die entscheidende Sekunde, die den Spielverlauf total veränderte: »Anschließend waren wir gar nicht mehr richtig auf dem Platz«, bekannte der Coach, der sich dann an seinen Bielefelder Kollegen Thomas von Heesen wandte: »Tommy, ich wollte dir eigentlich erst zu Weihnachten etwas schenken. Aber das hat meine Mannschaft jetzt schon erledigt.«
Die Herren kennen sich gut. Sie schätzen sich, und sie absolvieren bekanntlich gemeinsam ihre Fußball-Lehrerausbildung. Der Armine feierte nach dem 2:1-Erfolg im DFB-Pokalduell in der vergangenen Saison jetzt mit dem 3:1 in der Liga seinen zweiten Sieg gegen den energischen Kollegen.
Leicht waren diese Erfolge nie, denn: »Cottbus ist eine superunangenehme Mannschaft«, sagte Thomas von Heesen. Sander sah das nicht als Abwertung, sondern als eine versteckte Form von Anerkennung: »Es freut mich, wenn sich andere über unseren Spiel-Stil beschweren. Das soll mir nur recht sein.« Und das wird auch so bleiben. Vor allem zu Hause, im »Stadion der Freundschaft«, dürfte es weiter rustikal zugehen. Sander weiß: »Wir können nur mit viel Einsatz das Ziel erreichen.«
Immerhin stehen schon acht Punkte auf dem Konto der Klassenkämpfer, die vor dem Start als Kellerkandidat Nummer 1 eingestuft worden war. Die stolze Serie mit vier Spielen ohne Niederlage, die jetzt in Bielefeld zu Ende ging, hat den Trainer nicht eine Sekunde nach oben blicken lassen: »Für uns hat das Abstiegsrennen mit dem ersten Anpfiff begonnen.« Fortsetzung folgt am 15. Oktober vor eigenem Publikum gegen Borussia Dortmund. Dann soll beim einzigen Osten-Posten der Liga wieder die Sonne aufgehen.

Artikel vom 02.10.2006