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Die Anlaufstelle für ratsuchende Patienten

Gesundheitsladen feiert sein 25-jähriges Bestehen

Bielefeld (sas). Vor gut einem Vierteljahrhundert bewegte Patienten und kritische Profis im Gesundheitswesen die Suche nach anderen, alternativen Verfahren. Ein Gesundheitstag in Berlin war dann die Initialzündung: Allenthalben und auch in Bielefeld wurden in der Folge Gesundheitsläden gegründet, lokale Zentren mit niedrigschwelligem Angebot, die sich oft in freiwerdenden Ladenlokalen ansiedelten.

In Bielefeld entstand vor genau 25 Jahren in der August-Bebel-Straße 16 ein solcher Gesundheitsladen, dessen wichtigstes Projekt heute die unabhängige Patientenstelle ist. Der runde Geburtstag wird am 20. Oktober gefeiert.
Seit mehr als 20 Jahren dabei ist der Gesundheitswissenschaftler Günter Hölling, der gemeinsam mit Judith Storf, Diplom-Pädagogin und Gesundheitsberaterin, sowie Silke Karallus, Krankenschwester und Absolventin des Studiums Gesundheitskommunikation, in der Patientenstelle berät. »Anfangs haben wir nur ehrenamtlich gearbeitet, mussten und in Arbeitsgruppen schlau machen und organisieren«, erinnert sich Hölling. Eine erste Projektförderung durch das Ministerium gab es vor acht Jahren, und derzeit gehört die Bielefelder Beratungsstelle zu den Modellprojekten, die bis 2010 finanziert werden. »Wir hoffen, dass Patientenstellen danach eine Regelversorgung sein werden.«
Den Bedarf sehen die Berater durchaus: »Dauerthemen sind die Suche nach dem richtigen Arzt oder Therapeuten, nach Spezialisten«, sagt Judith Storf. Ebenso bieten der Verdacht von Behandlungsfehlern oder die mangelnde Kommunikation zwischen Arzt und Patient immer wieder Anlässe für Konflikte. »Und nicht selten müssen wir quasi 'übersetzen', was die Mediziner ihren Patienten mitteilen.«
Vielfach, ergänzt Hölling, möchten die Bürger einfach einen unabhängigen »Gegencheck«: »Sie trauen einem Therapievorschlag oder einem Kostenvoranschlag nicht, wollen Ansprüche gegenüber ihrer Krankenkasse klären lassen oder über Alternativen informiert werden.« Verstärkt geht es bei den Fragen auch um das liebe Geld. »Der Dschungel und die Undurchsichtigkeit des Abrechnungswesens - besonders bei zahnmedizinischen oder kieferorthopädischen Leistungen - macht auch viele Patienten ratlos oder misstrauisch«, sagt Storf.
Auch die privat zu zahlenden Zusatzleistungen, die viele Ärzte anbieten, verunsichern die Patienten. Was ist nötig und was nicht? »Da wird oft mit der Angst gearbeitet, mit der Sorge, etwas zu versäumen«, kritisiert die Gesundheitsberaterin, die so manche Verkaufsstrategie einfach nur dreist findet. »Bei Summen bis 100 Euro knirschen viele Patienten mit den Zähnen - und zahlen. Oft für Behandlungen, die nicht nötig sind oder die von der Krankenkasse sogar getragen würden!«
Das Team von der Patientenstelle sieht viele Anlässe zur Beratung. Die Möglichkeit, heute im Internet zu recherchieren, sind für Hölling und Co. kein Ersatz: »Oft ist individuelle Beratung nötig. Außerdem steht im Internet viel Unsinn - und viel manipulierter Unsinn.«
Dabei erleben sie durchaus auch, dass Ärzte zu Unrecht kritisiert werden: etwa, wenn sie zum Zuwarten raten oder ein Medikament verweigern. »Das kann berechtigt sein. In Zeiten der Budgetierung fürchten aber alle, dass sie als Patient zweiter Klasse behandelt werden.«
Einfach, sagen Storf und Hölling, ist im Gesundheitssystem nichts mehr. Immer auf dem Laufenden zu sein verlangt tägliche Recherche. »80 bis 90 Prozent der Fragen können wir direkt beantworten, bei den anderen müssen auch wir uns erst informieren.«
Das 25-jährige Bestehen des Gesundheitsladens, der Mitglied im Paritätischen und in der GesundheitsAkademie ist, wird am 20. Oktober begangen. Die Feier beginnt um 13 Uhr mit einer Stadtführung durch Bernd Wagner vom Historischen Verein, der über Gesundheit in Bielefeld vor 250 Jahren informiert (Treff: Alter Markt). Ab 15 Uhr steht der Gesundheitsladen Interessierten offen, ab 16 Uhr gibt es eine Zeitreise, ab 18 Uhr Theater, und um 18.30 Uhr trifft Kabarettist Heinz Flottmann das Gesundheitswesen.
Patientenstelle (Telefon 13 35 61) und Mediothek sind montags von 14 bis 18 Uhr, dienstags und donnerstags von 10 bis 14 Uhr sowie mittwochs von 15 bis 19 Uhr geöffnet. Die Psychiatrie-Beschwerdestelle ist donnerstags von 15 bis 17 Uhr besetzt.

Artikel vom 12.10.2006