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Gemeinsamer Opernbesuch als
Einstieg in eine Annäherung

Berliner Islam-Konferenz nimmt Arbeit auf - Bemühen ums Gemeinsame

Berlin (Reuters). Mit einer demonstrativen Geste für Toleranz und Meinungsfreiheit hat die erste deutsche Islam-Konferenz gestern in Berlin ihre Arbeit aufgenommen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (Mitte) beantwortet in Berlin zusammen mit dem SPD-Abgeordneten Badr Mohammed (r.) und dem Vorsitzenden der Türkisch Islamischen Union, Bekir Alboga (l.), Fragen von Journalisten.
Die Teilnehmer der Islam-Konferenz wollen gemeinsam die aus Furcht vor islamistischer Gewalt abgesetzte Mozart-Oper Idomeneo besuchen. Dies gab Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gestern als ein Ergebnis nach der ersten Sitzung des Gremiums aus Vertretern des Staates und Repräsentanten der drei Millionen Muslime in Deutschland bekannt.
Annäherung in den zentralen Streitpunkten zwischen den unterschiedlichen muslimischen Gruppen gab es erwartungsgemäß nicht. Mit der Islam-Konferenz will die Regierung die gesellschaftliche Integration der Muslime in Deutschland verbessern und so auch den wachsenden Einfluss islamistischer Kräfte eindämmen.
Am Ende soll eine Art Gesellschaftsvertrag stehen, der verbindliche Regeln für das Zusammenleben festschreiben soll. Schäuble sagte, es sei einhelliger Wunsch der Konferenzteilnehmer, dass die Deutsche Oper Berlin möglichst bald die umstrittene Idomeneo-Inszenierung zeigen könne. Mit dem gemeinsamen Besuch der Aufführung wolle man ein Zeichen setzen, wie Auseinandersetzungen demokratisch geführt werden könnten. »Das ist die richtige Art, eine Diskussion zu beenden, die sicher nicht im Interesse der Muslime in Deutschland ist«, sagte der CDU-Politiker.
Wie berichtet, hatte die Intendantin der Deutschen Oper Berlin, Kirsten Harms, das Mozart-Werk abgesetzt, nachdem die Polizei vor unkalkulierbaren Risiken für Künstler und Publikum bei einer neuerlichen Aufführung gewarnt hatte. In der Inszenierung sind die abgeschlagenen Köpfe von Poseidon, Jesus, Buddha und des muslimischen Religionsstifters Mohammed zu sehen. Die bildhafte Darstellung Mohammeds gilt im Islam als Gotteslästerung.
Schäuble und die muslimischen Vertreter bewerteten die Auftaktveranstaltung zu einem mehrjährigen Dialog als gelungen. Es habe eine intensive Diskussion »in tolerantem Ton, aber mit unterschiedliche Positionen« gegeben, sagte Schäuble. Der Dialogbeauftragte des größten Muslim-Verbandes in Deutschland (Ditif), Bekir Alboga, sagte, die Erwartungen der muslimischen Gemeinden seien voll erfüllt worden. Der Generalsekretär des verbandsunabhängigen Europäischen Integrationszentrums, Badr Mohammed, sprach von einem historischen Tag. »Der Durchbruch in der interkulturellen Öffnung der Gesellschaft für einen Dialog zwischen deutscher Gesellschaft und Muslimen ist gelungen.«
Konkrete inhaltliche Annäherungen gab es kaum. Positiv aufgenommen wurde Schäubles Angebot für eine Verstärkung des islamischen Religionsunterrichts. Wo dies gewünscht werde, solle islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werden. Dazu bedürfe es aber eines Partners auf Seiten der muslimischen Gruppen. Nach Schäubles Angaben blieb die Debatte an den kritischen Punkten kontrovers. So sei weiter strittig, wer für die mehr als drei Millionen Muslime in Deutschland spreche.
Auch der Wunsch einiger Verbände, im Status anderen Religionsgemeinschaften wie den christlichen Kirchen gleich gestellt zu werden, müsse im Prozess des Dialogs besprochen werden. Alle Teilnehmer verpflichteten sich aber darauf, das Grundgesetz als einzige Grundlage für das Zusammenleben zu akzeptieren. Am Auftakt der Konferenz nahmen je 15 Vertreter der Muslime in Deutschland sowie von Ministerien, Bundesländern und Kommunen teil.
Neben fünf islamischen Dachverbänden hatte Schäuble auch zehn Einzelpersönlichkeiten eingeladen, darunter auch Vertreter eines säkularen Islam. Bislang ist die Interessenvertretung der Muslime stark zersplittert, so dass dem Staat ein zentraler Ansprechpartner fehlt. Ditif-Vertreter Alboga gab bekannt, dass sich die vier muslimischen Dachverbände darauf verständigt hätten, künftig stärker gemeinsam aufzutreten und als gleichberechtigte Partner zu handeln.
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Artikel vom 28.09.2006