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Mittelständler riskieren ihr Lebenswerk

Wallau: Die meisten beginnen zu spät mit Plänen für die Nachfolge -Ê»Notfallkoffer« fehlen

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Jeder zehnte Familienbetrieb mit einem Jahresumsatz von weniger als 250 000 Euro findet in Deutschland keinen Nachfolger und muss deshalb schließen. Insgesamt beträgt die Quote nach Angaben des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) bei allen - auch den größeren - mittelständischen Firmen 8,3 Prozent.

»Die meisten mittelständischen Unternehmer schieben das Problem zu lange vor sich her«, sagt Prof. Frank Wallau. Der Mittelstandsforscher, der zusätzlich zu seiner Arbeit für die IfM auch an der Fachhochschule der Wirtschaft in Paderborn unterrichtet, mahnte bei einem Gespräch in der Geschäftsstelle der Credit Suisse in Bielefeld die Unternehmer, spätestens mit 55 Jahren die geregelte Nachfolge in Angriff zu nehmen.
Deutschlandweit stehen zur Zeit 350 000 mittelständische Betriebe vor der Übergabe. »Psychologisch verständlich, aber betriebswirtschaftlich extrem schädlich« ist nach Wallaus Ansicht, dass viele Unternehmer trotz ständiger Mahnungen keine Vorkehrungen für den Fall treffen, dass ihnen etwas zustößt. Ein »Notfallkoffer« sei einfach Pflicht. Mindestens 16 Prozent der Mittelständler träfen jedoch überhaupt keine Vorkehrung; sie beauftragten noch nicht einmal einen Stellvertreter. Nur 32,5 Prozent verfügten über ein Testament. Damit, so Wallau, riskierten die Unternehmer nicht nur die Zerstörung ihres Lebenswerkes, sondern auch die sinnlose Vernichtung von Arbeitsplätzen. Es genüge auch nicht, sich nur mit dem Steuerberater auszutauschen: »Eine steueroptimierte Lösung ist noch lange nicht die beste, weder für den Unternehmer noch fürs Unternehmen.«
Insgesamt zählt das IfM bundesweit 2,96 Millionen mittelständische Betriebe. Einschließlich Landwirte, Frei- und Heilberufler betrage die Zahl sogar 3,3 Millionen. Etwa 16 000 Firmen erzielten sogar einen Umsatz von mehr als 25 Millionen Euro.
In Nordrhein-Westfalen beträgt die Zahl mittelständischer Betriebe nach Angaben Wallaus etwa 700 000. Sie beschäftigen gut 5,3 Millionen Mitarbeiter.
Unterm Strich gilt: Je höher der Umsatz, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Familienmitglied den Betrieb übernimmt. Durchschnittlich beträgt die Quote 44, in der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 12,5 Millionen Euro jedoch 70 Prozent. Mehr als jede fünfte mittelständische Firma -Ê genau: 21 Prozent - wird verkauft. Fähige Mitarbeiter erhalten in 10,2 Prozent der Fälle die Chance, den Betrieb zu übernehmen. »In 16,6 Prozent entscheiden sich die Firmeninhaber für eine externe Führungskraft«, erklärte Wallau unter Bezugnahme auf die Studie des Instituts für Mittelstandsforschung.

Artikel vom 28.09.2006