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Die Sammlung
Simon Wiesenthal

Briefmarken weit über Katalog versteigert

Wiesbaden (dpa). Mit einem Gesamtzuschlag von 791 000 Euro ist gestern die Briefmarkensammlung des einstigen »Nazi-Jägers« Simon Wiesenthal versteigert worden.

Um die in 191 Lose aufgeteilte Sammlung von Marken unter anderem aus der osteuropäischen Heimat des im vergangenen Jahr gestorbenen Juden lieferten sich Briefmarkenfreunde aus dem In- und Ausland im Wiesbadener Auktionshaus Köhler spannende Bietgefechte. Der Taxwert des Katalogs hatte sich auf lediglich 350 000 Euro belaufen. Nach gut zwei Stunden hatte Versteigerer Michael Hilbertz alles unter den Hammer gebracht. Der Versteigerungserlös geht an Wiesenthals Tochter, die in den USA lebt.
Als höchstes Einzellos brachte ein seltener Brief aus China 41 000 Euro. Für Aufsehen sorgten auch die Marken mit »Hitler hinter Gittern«: Restbestände des Deutschen Reiches, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich mit einem schwarzen Gitter überdruckt und noch verwendet wurden. Sie brachten 5400 Euro.
Besonders begehrt bei Philatelisten aus Osteuropa waren die Marken, Briefe und Stempel aus Wiesenthals galizischer Heimat in der heutigen Ukraine. Für die russische und die polnische Wiesenthal-Sammlung bekamen zwei zahlungskräftige Bieter bei 53 000 beziehungsweise 58 000 Euro den Zuschlag.
Simon Wiesenthal, der in den 1950er Jahren mit dem Briefmarkensammeln begonnen hatte, um seine Schlafstörungen zu bewältigen, war in den 1980er Jahren auf das Wiesbadener Auktionshaus Köhler aufmerksam geworden und hatte das Haus noch zu Lebzeiten für den Nachlass ausgewählt. Der Respekt, mit dem das nach eigenen Angaben älteste Briefmarkenauktionshaus die Versteigerung der Sammlung des amerikanischen Industriellen John R. Broker abgewickelt habe, sei dem begeisterten Philatelisten Wiesenthal aufgefallen, sagt Karl Louis von Köhler.
Als Wiesenthal 1945 von den Amerikanern befreit wurde, hatte der osteuropäische Jude zwölf Konzentrationslager überlebt und außer seiner Frau alle Familienangehörigen verloren. Im Auftrag der Alliierten machte er sich auf die Suche nach Nazi-Verbrechern, spürte unter anderen 1960 den Holocaust-Planer Adolf Eichmann in Argentinien auf.

Artikel vom 28.09.2006