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Bremens später Party-Stopper

Werder lernt dazu und beantragt schon das nächste Duell mit Barcelona

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Bremen (WB). Manchmal werden Fußball-Mannschaften auf schmerzliche Art daran erinnert, wie lang die Spiele eigentlich sind. Werder Bremen und der bange Blick zur Uhr: In vorletzter Minute schickte ihnen Lionel Messi doch noch einen schönen Torgruß aus Barcelona.

Für den deutschen Vizemeister sind die Auftritte in der Champions League immer wieder aufs Neue ein Fußballfest. Allerdings schaffen es die Bremer auch, sich eine anfangs wirklich gut gehende Fete am Ende mit einem Party-Stopper zu vermasseln. Im Achtelfinale der vergangenen Saison herrschte sogar Weinzwang. In der 87. Minute besorgte ein törichter Fehlgriff ihres Torhüters Tim Wiese das saudumme Bremer Aus.
Dieses Mal war der gute Schlussmann unbeteiligt, Werder blieb immerhin 120 Sekunden länger auf Erfolgskurs. Zum großen Sieg, von dem die grün-weiße Fußball-Familie nun schon so lang träumt, wollte es indes erneut nicht reichen. »Da trägt man natürlich eine Enttäuschung in sich«, berichtete Trainer Thomas Schaaf über die vom späten Ausgleich des Titelverteidigers überschattete Stimmung an der Weser. Dennoch beschloss Schaaf, das 1:1 auf der Habenseite zu verbuchen: »Wir müssen jetzt mit diesem einen Punkt zufrieden sein.«
Das ist ja auch schon einer mehr als beim letzten Mal. Da behauptete sich der spanische Spitzenreiter noch mit 2:0, bei seiner Rückkehr nach Bremen wäre er beinahe ins Straucheln geraten. Verteidiger Carles Puyol nutzte eine Flanke von Aaron Hunt, um sich als Stürmer zu probieren. So schoss sich der Kapitän der Katalanen in der 55. Minute selbst vor den Bug.
Erst eine Weile nach dem Eigentor besann sich der FC Barcelona darauf, dem Bremer Publikum zu demonstrieren, warum er so ein gefürchteter Gegner ist. »Wir haben dann noch ein gutes Ergebnis erzielt«, freute sich Trainer Frank Rijkaard über die Steigerung, an der sich wesentlich der Argentinier Messi beteiligte. Ein superedler Joker, der im WM-Viertelfinale gegen Deutschland zwei Stunden auf der Bank versauerte.
In Bremen aber, da hatte er seinen Auftritt und reduzierte die Begegnung für die geplagte Heimelf auf ihren pädagogischen Effekt. »Wir lernen immer weiter dazu«, sagte Trainer Schaaf, »und beim nächsten Mal beantragen wir, wieder gegen Barcelona spielen zu dürfen, um zu zeigen, dass wir wieder ein Stück weiter gekommen sind.«
So weit, bis es endlich mal zu einem Triumph gegen eine der europäischen Eliteeinheiten reicht. Dazu gehört auch der FC Chelsea London, dummerweise ebenfalls in der Bremer Gruppe am Ball. Wahrscheinlich muss sich der deutsche Mitbewerber gegen Levski Sofia um Platz drei balgen, der nach Abschluss der Champions League-Vorrunde zum Überwintern im UEFA-Cup berechtigt.
Im Grunde wollen die Bremer mehr als diesen Trostpreis, doch dann müssen sie Eskapaden wie in Turin oder so eine 89. Minute wie gegen Barcelona endlich weglassen. Damit macht sich die Mannschaft nur die Nächte kaputt. »Wir waren zum Schluss zu tief hinten drin«, kritisierte Schaaf das übertriebene Rückzugsverhalten. Das Ergebnis trug er mit Fassung, weil es gleichzeitig noch ein anderes, wesentlicheres Resultat festzuhalten gab. Nach dem DFB-Pokal-Aus in Pirmasens, dem holprigen Liga-Start und sechs Pflichtspielen ohne Sieg glaubt Schaaf sein lange stark aufspielendes Team wieder auf dem richtigen Weg: »Wie wir uns gegen diese Superklassemannschaft bewiesen haben, gibt uns Kraft.«
Woran es noch haperte, schilderte der Trainer den Spielern offenbar mit milder Strenge sogleich in der Kabine. »Es tut mir Leid für euch. Ihr habt es nicht geschafft, den Lohn abzuholen.«

Artikel vom 29.09.2006