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Volle Sicherheit war unerwünscht

Forderung der Transrapid-Mitarbeiter abgewiesen - schon 750 000 Touristen im Testzug

Lathen/Berlin (dpa). Vier Tage nach dem verheerenden Transrapid-Unglück im Emsland mit 23 Toten haben sich gestern die Hinweise darauf verdichtet, dass die Sicherheitsvorkehrungen auf der Teststrecke weit hinter dem technisch Möglichen zurückstanden.
Christian Ude: »Schon vor einem Jahr Sicherheitsmängel gerügt.«

Nach Angaben des Chefs der Betreibergesellschaft IABG, Rudolf Schwarz, wurde bewusst auf zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen verzichtet. Mitarbeiter der Versuchsanlage hätten »vor ein bis zwei Jahren« vergeblich den Wunsch geäußert, auch das Sicherheitskonzept für Sonderfahrzeuge wie den Werkstattwagen auf technische Standards umzustellen. Damit wäre das Unglück vom vergangenen Freitag möglicherweise verhindert worden.
Die IABG habe zu dem Zeitpunkt lediglich ein Vorschlagsrecht gehabt, erläuterte Schwarz. Zuständig sei der Inhaber der Betriebserlaubnis gewesen. Wer dies zum Zeitpunkt der Ablehnung gewesen sei, lasse sich derzeit nicht nachvollziehen. Der Wunsch nach verbesserter Sicherheit sei jedoch nachvollziehbar, weil in den vergangenen Jahren neben den internen Versuchsfahrten auch Besuchertouren mit 750 000 Transrapid-Touristen gegen Zahlung eines Fahrpreises unternommen wurden, betonte Schwarz.
Zum Unglück war es jetzt gekommen, weil der Transrapid am Freitagmorgen gestartet wurde, obwohl noch der Werkstattwagen auf den Gleisen stand. Beim verheerenden Zusammenprall bei Tempo 170 starb, wie berichtet, auch ein Ehepaar aus Pr. Oldendorf (Kreis Minden-Lübbecke). Es hinterlässt vier Kinder im Alter von 17 bis 22 Jahren. Laut Staatsanwaltschaft Osnabrück hat wahrscheinlich menschliches Versagen in der Leitstelle den Unfall ausgelöst.
Den Betreibern droht nun eine juristische Auseinandersetzung um Entschädigungen für die Opfer. Es sei unklar, warum auf der Strecke heute mögliche Sicherheitskonzepte nicht umgesetzt wurden, sagte Rechtsanwalt Walter Bergmann von der Berliner Kanzlei Simon und Partner, die auch Hinterbliebene des Concorde-Unfalls von 2000 (113 Tote) betreute.
Heute wird Bundespräsident Horst Köhler zur zentralen Trauerfeier im emsländischen Lathen erwartet. Die Feier wird von den Fernsehsendern NDR und Phoenix live übertragen (11 Uhr).
Experten des Eisenbahnbundesamtes (EBA) prüfen jetzt das Sicherheitskonzept der Versuchsanlage, um Rückschlüsse auf ein mögliches Genehmigungsverfahren für die Münchner Transrapid-Trasse zwischen City und Flughafen zu gewinnen. Die Stadt München habe bereits vor gut einem Jahr Sicherheitsmängel beim Flughafen-Projekt gerügt, sagte gestern Oberbürgermeister Christian Ude (SPD). Die Experten der Stadt seien bislang offenbar die einzigen gewesen, die sich ernsthaft mit der Sicherheit des Projektes beschäftigt hätten.

Artikel vom 27.09.2006