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Lehrherren »mit Migrationshintergrund«

Gesellschaft »Mozaik« sieht Ausbildung in Zuwandererbetrieben als Chance

Bielefeld (sas). Längst haben sich in Bielefeld viele Zuwanderer etabliert und auch Unternehmen gegründet. Aber zu wenige von ihnen bilden auch aus. »Viele kennen das deutsche System nicht, wissen nicht, dass sie tatsächlich ausbilden dürfen oder fürchten bürokratische Hürden«, sagt Cemalettin Özer von »Mozaik«, einer gemeinnützigen Gesellschaft für interkulturelle Bildungs- und Beratungsangebote.

In einem Modellprojekt von »Mozaik« in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer und »Arbeitplus« wurden die Inhaber von Zuwandererbetrieben daher gezielt angesprochen, um Ausbildungsplätze zu akquirieren. »Zwei ÝMozaikÜ-Mitarbeiter mit Kenntnissen der türkischen und kurdischen Sprache haben insgesamt 147 Betriebe in Bielefeld besucht«, erzählt Özer. Das Klinkenputzen und Werben um Vertrauen hat sich gelohnt: 35 dieser Unternehmen wollen jungen Menschen beim Start in den Beruf helfen; sie könnten 47 Ausbildungsplätze stellen.
26 Firmen wurden bereits in das Anerkennungsverfahren von IHK und Handwerkskammer aufgenommen. »Es wird überprüft, ob sich die Firma als Ausbildungsbetrieb eignet und ob dort Ausbildungsinhalte vermittelt werden können. Ein Ausbilderschein ist derzeit nicht nötig, der Einstieg in die Ausbildung kann schnell und unbürokratisch erfolgen. Wenn ein Unternehmen zu spezialisiert ist, um alle Ausbildungsbereiche abzudecken, können Kooperationspartner gefunden werden«, betont Swen Binner von der IHK, die 4200 Ausbildungsbetriebe (davon gut 150 in der Hand von Zuwanderern) in ihren Listen führt.
16 Betriebe haben dieses Verfahren bereits durchlaufen, sind als Ausbildungsbetrieb anerkannt und stellen nun 20 Ausbildungsplätze zur Verfügung. »Sieben junge Leute haben ihre Stelle schon angetreten, elf Bewerbungsverfahren laufen«, erzählt Katharina Zacharaki von »Mozaik«.
Denn auf die Akquise folgt die Besetzung der Stellen. Auch dabei geht »Mozaik« den Jugendlichen zur Hand, hilft gemeinsam mit »Arbeitplus« und der Agentur für Arbeit bei der Auswahl und gibt zum Beispiel sprachliche Unterstützung beim Ausfüllen von Verträgen und Anträgen. Eine von denen, die dadurch einen Ausbildungsplatz erhielt, ist Claudia Longo. Sie erlernt den Beruf der Friseurin und hat eine türkische Chefin, die bereits in Deutschland ihren Meister gemacht hat. Und Gastronom Spyros Christodoulou vom »Pallas Athene« hat derzeit sogar vier Azubis. Er und seine Frau bereiten zwei angehende Köche und zwei Servicekräfte auf den Beruf vor: einen Griechen, einen russischstämmigen jungen Mann und zwei Deutsche. Nur an Jugendliche mit Migrationshintergrund nämlich richtet sich das »Mozaik«-Projekt nicht.
Aktuell gibt es in Bielefeld 5200 jugendliche Empfänger von ALG II, sagt Manfred Neumann (»Arbeitplus«). 2800 von ihnen haben einen Migrationshintergrund.

Artikel vom 06.10.2006