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Ein Leben in zwei Welten

Bielefelder Dirk Ingo Bache stellt seinen ersten Roman vor

Von Hendrik Uffmann
Bielefeld (WB). Zu Hause ist er in zwei Welten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Immer noch verwurzelt mit seiner Heimatstadt Bielefeld, lebt Dirk Ingo Bache in Nordindien am Fuße des Himalaja-Gebirges. Über seinen abenteuerlichen Weg vom Jugendlichen aus zerrüttetem Elternhaus bis zum studierten Musiklehrer in Indien hat Bache einen Roman geschrieben, den er jetzt bei der Frankfurter Buchmesse vorstellt.

426 Seiten umfasst der Roman, der im Gryphon-Verlag als erster Teil einer Trilogie in diesen Tagen erschienen ist, und der für Dirk Bache so etwas wie die Aufarbeitung seiner eigenen Geschichte ist. Unter seinem Pseudonym Sai Shankar - diesen Namen gab ihm vor 30 Jahren sein spiritueller Lehrer in Indien - schildert er Begebenheiten, die »zu 95 Prozent autobiographisch sind«.
Aufgewachsen ist der heute 55-Jährige an Rande der Innenstadt Bielefelds. »In einer Familie, in der nachts Tränen und Blut üblicher waren als Schlafen«, wie er selber sagt. Gewalt, Angst und »sozialer Rassismus« prägten sein Leben, bis er sich 1975 mit 25 Jahren entschloss, nach Indien zu gehen. Mit 600 Mark in der Tasche machte er sich auf den Weg, um schließlich an der Benares Hindu University im Bundesstaat Uttar Pradesh klassische indische Musik zu studieren. Dort lernte er auch seine Frau Sharnee kennen, mit der er 1986 wieder zurück nach Deutschland, nach Bielefeld, zog. Hier wurden dann die beiden Töchter Karishma (20) und Anjuna (16) geboren. Doch wieder Fuß zu fassen, fiel Bache nicht leicht, und so zog die Familie 1990 in die Karibik nach Trinidad & Tobago, in die Heimat seiner Frau.
Dort begann Dirk Bache mit dem Schreiben. Zunächst waren es Kolumnen und Essays für lokale Zeitungen des Inselstaates, doch dann startete er die Arbeit an dem jetzt erschienenen Roman. »Vier Monate habe ich fast Tag und Nacht geschrieben. Es war, als hätte ich ein Fass angebohrt«, erzählt er. Kein typisches Indien-Buch sollte es werden, und auch keine reine Autobiographie, auch wenn die Handlung wesentlich auf dem von ihm selbst Erlebten beruht.
Vor allem zwei Dinge waren es, die ihn zu der Roman-Trilogie getrieben haben, sagt Bache. »Ich wollte, dass meine Kinder erfahren, wer ihr Vater war und wer er ist. Und ich wollte zeigen, dass eine schwierige Kindheit keine Entschuldigung dafür ist, dass man seine Chancen nicht nutzt.« Altlasten, wie er sie nennt, positiv zu nutzen, sein Leben selbst zu gestalten, so dass es befriedigend und fruchtbar wird - das kann jeder Mensch, ist Dirk Bache überzeugt.
Der jetzt erschienene erste Band der Trilogie mit dem Titel »Bombolee« - »Bom« steht für Heil, »bolee« ist eine Abkürzung für einen Namen des Gottes Shiva - spielt in weiten Passagen in Bielefeld. »Die Leser hier werden viele Orte, Straßen und ehemalige Kneipen wiederkennen«, versichert Bache.
Vor zwei Jahren zog er mit seiner Familien wieder zurück nach Indien in die 300 000-Einwohner-Stadt Dehrachun in den Vorbergen des Himalaja. Jetzt ist er für eine Woche in Deutschland, um den Roman bei der Frankfurter Buchmesse vorzustellen - bei der in diesem Jahr Indien Gastland ist. Im März soll zur Leipziger Buchmesse der zweite Band erscheinen; die Veröffentlichung des dritten ist für Herbst 2007 vorgesehen. Jedes Buch könne jedoch auch für sich gelesen werden, meint Dirk Bache.
Bis heute hat er Kontakt zu seiner Familie, die nach wie vor in Bielefeld lebt. Und auch wenn ihm die Stadt in den ersten Tagen eines Besuches fremd vorkommt, sagt er: »Wenn ich durch die Straßen gehe, kommt die Erinnerung wieder. Hier bin ich eben aufgewachsen, und das kann man nicht einfach so wegtun.«

Artikel vom 28.09.2006