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Azem Ahmeti: »Ich fühle
mich auch als Deutscher«

Flüchtlingspolitischen Aufruf für Bleiberecht gestartet

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Foto)
Bielefeld (WB). Das 2005 beschlossene Zuwanderungsgesetz hat längst nicht alle Erwartungen erfüllt. Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften fordern deshalb in einem »Flüchtlingspolitischen Aufruf« ein Bleiberecht für langjährig geduldete Asylbewerber, um vor allem Jugendliche, die die meiste Zeit ihres Lebens in Deutschland verbracht haben, vor der Abschiebung zu bewahren.

»Auch die Kommunen könnten in die Aktion einsteigen. Sie leiden schließlich besonders unter den Sozialleistungen, die zu erbringen sind«, sagte Udo Halama, Sozialpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Bielefeld. Jungen Männern wie Azem Ahmeti (21) aus dem Kosovo ist es nämlich untersagt, eine Arbeit aufzunehmen. Im Alter von sechs Jahren kam der Kosovo-Albaner nach Deutschland, wurde hier sogar Vater und muss dennoch alle drei Monate damit rechnen, auf den noch immer nicht befriedeten Balkan abgeschoben zu werden. Er spricht nur Deutsch. »Ich fühle mich auch als Deutscher«, sagt er.
Wie Azem Ahmeti geht es vielen Kosovaren, aber auch Palästinensern und Tamilen. Von den 41 000 Ausländern in Bielefeld sind 1000 Flüchtlinge. Wird ihr Asylantrag abgelehnt, müssen sie entweder darauf hoffen, weiter geduldet oder aber abgeschoben zu werden. Wer dem entgehen will, taucht unter und lebt in der Illegalität. Oder er erhält - wie zurzeit ein Kurde - bei der Kirche Asyl. Das heißt, sie versteckt ihn in einer unbekannten Wohnung und hält Kontakt zu den Behörden. »Die Menschen, die vor Verfolgung und Gewalt aus ihrer Heimat geflüchtet sind, sollten nach fünf Jahren ein generelles Aufenthaltsrecht in Deutschland erhalten«, fordert Halama. Familien dürften nicht auseinandergerissen werden.
Mochte der Bielefelder Flüchtlingsrat auch gehofft haben, dass mit Abschaffung der so genannten »Kettenduldungen« langjährig in der Bundesrepublik lebende Flüchtlinge einen gesicherten Aufenthaltstatus erhielten, so registriert man nun das Gegenteil. Viele Beratungsstellen beobachten eine härter werdende Abschiebepraxis. Manche Kinder gingen nicht zur Schule - aus Angst davor, von der Polizei aus dem Unterricht geholt und abgeschoben zu werden, heißt es.
Für den Aufruf von zunächst 30 Unterzeichnern wie Bielefelds Superintendentin Regine Burg sollen bis Ende Oktober weitere Unterschriften in Ostwestfalen-Lippe gesammelt werden. Im November wollen die Innenminister der Länder den Beschluss für eine Bleiberechtsregelung fassen. Berlin und Sachsen-Anhalt haben im Vorgriff darauf bereits auf eine restriktive Abschiebepraxis verzichtet.

Artikel vom 27.09.2006