27.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der Vogel bleibt im Käfig

Sammlungen von Kurzgeschichten und Gedichten

Dhaka (WB/in). »Sein Zuhause ist der Himmel«, sagt der arme Grundschullehrer zu seinem kleinen Sohn Babul. Die Rede ist vom fremden Vogel, den er einem Händler abgekauft hat, obwohl sich die Familie doch überhaupt kein Haustier leisten kann.

Doch welcher Vater erträgt lange den traurigen Blick seines Sohnes? Der Papagei zieht in der kleinen Hütte in einen viel zu kleinen Käfig. Irgendwann kommen Vater und Sohn zu der Erkenntnis, dass das Leben in einem solchen Gefängnis Tierquälerei ist. Sie öffnen die Voliere. Doch der fremde Vogel bleibt da, vorerst jedenfalls. Als er verschwindet, ist auch Babul schon weggeflogen.
Es ist eine traurige Geschichte von Hassan Azizul Haque, die dem Buch »Der fremde Vogel« (Draupadi Verlag, 9,80 Euro) den Titel gibt. Barbara Das Gupta und Peter Dietzel sammelten dafür eigens aus dem Bengali übersetzte Kurzgeschichten und Gedichte aus dem heutigen Bangladesch.
Einblicke in eine ganz andere Welt, in der das tägliche Überleben noch nicht selbstverständlich ist, beinhaltet auch eine zweite, jetzt zur Buchmesse erscheinende Sammlung von Kurzgeschichten: »Im Schatten des Taj Mahal« (Horlemann-Verlag, 12,90 Euro). Die Autoren sind meistenteils in Indien sehr prominent. In der Auswahl der literarischen Erzählungen wird zudem deutlich, welche sprachliche Vielfalt Indien hervorgebracht hat: 23 offiziell anerkannte Sprachen, dazu noch Englisch. »Im Schatten des Taj Mahal« enthält Erzählungen und Gedichte aus acht Sprachen.
Hassan Azizul Haque jedoch, der Autor des »fremden Vogels«, muss sich derzeit in Bangladesch verstecken. Weil er den Islamisten im Land vorgeworfen hat, sie würden die Religion missbrauchen, wird er nun von Mitgliedern einer islamistischen Studentenorganisation mit dem Tod bedroht.

Artikel vom 27.09.2006