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Sie führen nicht nur ihre Mannschaften aufs Feld, sie sollen in den 90 Minuten dann auch die »Anführer« sein. Kapitäne stehen immer in einer besonderen Verantwortung. Bei zwei Bundesliga-Vereinen sind allerdings die Stellvertreter die besseren Männer für diese Aufgabe.

Der Wortführer

Der Niederländer Rafael van der Vaart ist ein exzellenter Fußballer. Aber als Steuermann, der in schweren Zeiten das schlingernde Schiff des Hamburger SV wieder auf Kurs bringen könnte, scheint er nicht mehr sonderlich geeignet zu sein. Sein Foul am vergangenen Samstag in Bochum, da hat sich einer aus der Verantwortung getreten. Vier Spiele Sperre, Pause bis Anfang Februar.
Und wer weiß, vielleicht ist van der Vaart dann schon gar nicht mehr in Hamburg, sondern hat bei einem anderen Club angeheuert, der nicht in Abstiegsgefahr schwebt. Die Kapitänsbinde warf er Bastian Reinhardt zu, und der hat sie sofort aufgefangen. Da ist das Ehrenzeichen beim richtigen Mann gelandet. Denn er ist der einzige Profi beim HSV, der seit Wochen die Wahrheit sagt und die Durchhalteparolen nicht auch noch penetrant wiederholt.
Schon zu seinen Zeiten bei Arminia Bielefeld gehörte Reinhardt zu denen, die weit über den Rasenrand hinaus blickten. Jetzt ist er der Wortführer in Hamburg. Dabei war bis zum Frühjahr nicht sicher, ob sie mit ihm den Vertrag verlängern sollten. Das passt zum Tabellenplatz und der miserablen Personal-Politik. Die Leute, auf die sie sich wirklich verlassen können, die kennen die Herren da oben im hohen Norden nicht.

Der Antreiber

Was aber selbstverständlich nicht in Bremen gilt. Die wussten immer, wie wertvoll Torsten Frings für ihre Mannschaft ist. Den zog es 2002 von der Weser in Richtung Dortmund, dann nach München, zum großen FC Bayern. Typischer Fall von verwechselt. Das war nicht seine Fußball-Welt. Inzwischen spielt Frings wieder für seinen alten Verein, für den SV Werder Bremen. Und in diesen Wochen so gut wie noch nie.
Der Spielführer beim Spitzenreiter heißt Frank Baumann. Aber der »Kopf« der Truppe, das ist Frings. Zuletzt musste der Nationalspieler den Kollegen dann auch offiziell vertreten. Als patenter Kapitän. Baumann ist wieder einmal verletzt - und außerdem nicht mehr stets erste Wahl.
Frings immer. Leise Stimme, großer Einsatz. So gibt er auf dem Platz den Ton an. Nach der Enttäuschung von Barcelona sieht sich der große Kämpfer jetzt noch mehr herausgefordert. Frings will allen zeigen, wo es lang geht: In Richtung Meisterschaft.

Der Einpeitscher

Dieses Ziel hat selbstverständlich auch der Kollege in München vor Augen. Dazu noch ein bisschen mehr: Oliver Kahn möchte in der Endphase seiner großen Karriere unbedingt noch einmal den Titel in der Champions League gewinnen.
Im Gegensatz zu den »Nachrückern« Reinhardt und Frings ist Kahn ja ein richtiger Käpitän. Schon seit Jahren. Felix Magath hat keine Sekunde bereut, dass er diese Personalie damals nicht änderte. Beim seinem Amtsantritt im Sommer 2004 dachte der Trainer über einen »Neuen« auf der Kommandobrücke nach - und blieb dann doch dabei: Kahn durfte weiter am Ruder bleiben.
Ein Lenker von der Linie, der Klartext redet. Sicher, poltern, brüllen und ausrasten, das kann er auch immer noch. Aber wie souverän er seine schwere WM-Rolle als zweiter Mann spielte, das hat ihn reifer gemacht. Und viele Sympathie-Punkte gebracht.
Klaus Lükewille

Artikel vom 09.12.2006