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Die Wahrheit konnte nicht ans Tageslicht kommen

Sechs Jahre und neun Monate für Totschlag


Bielefeld (uko). Sechs Jahre und neun Monate Haft wegen Totschlags soll der Deutschtürke Ercüment Ca. absitzen. Dieses Urteil hat die 3. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld am Montag über den 37-jährigen Busfahrer aus Heiligenhaus (Kreis Mettmann) gefällt, der im Dezember 2004 den Cousin seiner Ehefrau getötet hatte.
Mit diesem Spruch meinten die Richter indes nur »die prozessuale Wahrheit« in einem Fall gefunden zu haben, der ausschließlich von den Aussagen des Angeklagten geprägt war. Der einzige Zeuge, bedauerte Kammervorsitzender Reinhard Kollmeyer, sei eben das Opfer, und das sei tot. Ercüment Ca. hatte am 30. Dezember 2004 im Verkaufscontainer eines Autoplatzes am Brackweder Stadtring den 24-jährigen Hakan Ce. mit 32 Messerstichen getötet. Vorausgegangen war eine lange Familienfehde, deren Details auch von diesem Gericht nicht mehr aufzuklären waren.
Das Schwurgericht des Landgerichts hatte den Mann im September 2005 zu elf Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Doch dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof auf, der auch eine Notwehrsituation als nicht genügend geprüft sah. Die Verteidiger Ralf Lindrath und Detlef Stoffels plädierten denn auch auf eine Notwehrlage ihres Mandanten und forderten einen Freispruch; Staatsanwalt Christoph Mackel beantragte elf Jahre Haft wegen Totschlags. Die Kammer sah einen Angriff des späteren Opfers -Êwovon unwiderlegt ausgegangen werden müsse -Êals vom Angeklagten abgewehrt an. Notwehr, so Kollmeyer, sei »abwegig«.
Die von Ercüment Ca. reklamierte Erinnerungslücke nach der Tat - er will erst nach eineinhalbstüdiger Heimfahrt nach Heiligenhaus wieder zur Besinnung gekommen sein - ließ das Gericht unberücksichtigt: »Wir kaufen Ihnen das nicht ab«, sagte Kollmeyer. Gleichwohl müsse das Gericht eine »hochgradige affektive Erregung« des Täters bei der Urteilsfindung annehmen, also sei mit letzter Sicherheit auch eine verminderte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen. Die 3. Strafkammer legte ihrem Urteil daher einen sogenannten »minder schweren Fall des Totschlags« zugrunde, und dafür sei ein Strafmaß von sechs Jahren und neun Monaten angemessen. Allerdings, so merkte Reinhard Kollmeyer an, »einen tatsächlichen Ausgleich für ein Menschenleben gibt es nicht«.

Artikel vom 26.09.2006