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Vielseitiger Künstler,
der das Stadtbild prägte

Historisches Museum erhält Nachlass von Ernst Hansen

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Das Historische Museum hat den Nachlass Ernst Hansens erhalten. Das ĂŽuvre des vielseitigen Künstlers (1906-1987) wird in der großen Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen der Werkkunstschule 2007 einen wichtigen Schwerpunkt bilden.

Weil Ernst Hansen ein Mann von großer Bescheidenheit war, teilt er das Schicksal so manchen kreativen Gestalters von Rang: Er ist an seiner Wirkungsstätte präsent, aber weitgehend unbekannt. Wunderbar stilisierte Tiermotive an (sonst eher schmucklosen) Wohnbauten an der Apfelstraße, hinreißende Wasserwesen in geätztem Glas am Eingang zum ehemaligen Kesselbrinkbad, ja, ganze Häuserfassaden schmücken das Stadtbild, aber der schaffende Geist hinter den Arbeiten bleibt unsichtbar.
Glücklicherweise haben sich die in Hamburg und im Rheinischen lebenden drei Kinder und die in Bielefeld wohnende Witwe gemeinsam entschlossen, den künstlerischen Nachlass nicht aufzuteilen, und damit verhindert, dass er über kurz oder lang in alle Welt verstreut worden wäre. »Wir sind nun in der einzigartigen Lage, manche Werkgruppen von der ersten Skizze bis zur endgültigen Ausführung nachzeichnen zu können«, konstatiert Dr. Gerhard Renda, stellvertretender Leiter des Historischen Museums, erfreut.
Das ist angesichts des komplexen Entstehungsprozesses mancher Arbeiten tatsächlich ein glücklicher Umstand. »Mein Vater konnte beispielsweise stundenlang Kühe auf der Wiese skizzieren, in allen Positionen und aus allen Perspektiven«, erinnerte sich gestern Ernst Hansens Sohn Hans (66), der zur Übergabe nach Bielefeld gereist war. »Auf der Grundlage dieser Zeichnungen hat er später mit verschiedenen Materialien experimentiert, bis die Tiergestalten - gerne in reduzierten Formen - auf einem Fries auftauchten.«
Ernst Hansen blieb bis zuletzt ein neugieriger, ein wissensdurstiger Geist, wie ein Acrylbild (drei mit Blumen gefüllte Vasen) beispielhaft zeigt, das den damals 60-Jährigen als virtuosen Pop-Art-Maler ausweist. Ihm glückten Bilder aus norddeutschen Häfen, die die salzwassergesättigte Atmosphäre maritimer Geschäftigkeit fernab süßlicher Postkartenidyllen einfangen. Und selbst »Serielles«, das so manchem Kollegen in der Ödnis der Beliebigkeit versandet, bewahrt sich unter Ernst Hansens Händen seine lebendige Frische, wie die Variationen über fünf blau-weiß-rote Dreieckbleche zeigen.
In diesem Werk, das nie zu toter Wiederholung gerann, sondern sich stets von vielen Stilen anregen ließ, mutig mit Sand wie mit Glas spielte, mit Stein und Plastik und Metall, gilt es mancherlei zu entdecken. Den strengen Charme der frühen Aquarelle (»Hallig«, »Bergkette im Schnee«). Die Phantasie in dem von dürren Piktogrammen angeregten Tierornament. Oder den Willen zum ordnenden Gestalten selbst in riesenhaften Werken: Ein Besuch im Max-Planck-Gymnasium, das von Ernst Hansen mit einem höchst anregenden Mosaik beschenkt wurde, mag eine Tür zum Verständnis dieser vielseitigen Arbeiten öffnen.

Artikel vom 26.09.2006