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»Die Menschen trauen der Großen Koalition einfach nicht zu, eine Politik für den Bürger zu machen.«

Leitartikel
Gesundheitsreform

In diesem
Haus fühlt sich
niemand wohl


Von Dirk Schröder
»Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, ist einer, der die Sache regelt.« Angesichts des Hickhacks um die Gesundheitsreform wünscht man sich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Moderatorenrolle in der großen Koalition aufgibt und auch bei den innenpolitischen Problemen die klare Führung zeigt, die sie bisher in den außenpolitischen Fragen an den Tag gelegt hat.
Dass diese Aufforderung aber ausgerechnet aus den Reihen der Sozialdemokraten kommt, überrascht denn doch. Zwar hat der Seeheimer Kreis unter Hinweis auf das Hamburger Sprichwort gemeint, die Kanzlerin solle die Unions-Ministerpräsidenten zurecht stutzen, die ihr und der Koalition in Berlin das Leben schwer machen.
Doch noch heftiger wird das Reformvorhaben von SPD-Seite attackiert. Die Auseinandersetzungen werden als notwendige Diskussion dieser schwierigen Thematik dargestellt. Doch der Bürger wendet sich ab mit Grausen. Für ihn ist diese »Diskussion« längst ein unwürdiges Gezerre.
Das Wahlergebnis vom letzten Jahr haben Union und SPD immer gern so ausgelegt, der Wähler habe gewollt, dass beide in einer großen Koalition die Probleme des Landes lösen. Jetzt tut man die jüngsten schlechten Umfragewerte verharmlosend damit ab, die Menschen seien verunsichert. Nein, es ist viel schlimmer. Sie trauen den beiden (Noch-)Volksparteien nicht mehr zu, Politik für den Bürger zu machen.
Die täglichen gegenseitigen Vorhaltungen reißen nicht ab. Trotzdem wird in SPD und Union immer wieder versichert, man werde die Gesundheitsreform zu einem guten Ende bringen. Wer's glaubt. Richtig ist: Man wird sich irgendwie einigen, weil man über diesen Streit die Koalition nicht zerbrechen lassen will. Doch aus dieser Reformbaustelle kann kein Haus entstehen, in dem sich die Bürger anschließend wohlfühlen werden.
Zwischen Union und SPD gebe es nur 30 Prozent inhaltliche Übereinstimmung, hat der frühere CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer festgestellt. Das ist so wenig, da fallen sogar faule Kompromisse schwer. Das aber hätten beide Seiten vorher wissen müssen. Aus so gegensätzlichen Konzepten wie Bürgerversicherung und Kopfpauschale eine Reform zu basteln, das ist wie Rotwein und Weißwein zusammenzuschütten - und das soll anschließend auch noch munden.
Es ist ein hoher Preis, den SPD und Union zahlen werden. Beide haben noch einmal viel an Vertrauen beim Wähler verloren und das Heer der Nichtwähler vergrößert. Und untereinander herrscht ein Klima des Misstrauens. Die tagtäglichen gegenseitigen Attacken tragen nicht dazu bei, dass dies sich ändert. Das verheißt für die Zukunft nichts Gutes.
Der Gesundheitsstreit ist nicht beigelegt, da warten - Stichwort Kombilohn und Mindestlohn - die nächsten Probleme. Man kann nicht unbedingt sagen, dass SPD und Union hier mit ihren Vorstellungen nah beieinander liegen.

Artikel vom 28.09.2006