25.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Regierung will Unternehmer entlasten

Bundeswirtschaftsminister Glos in Bielefeld: »Der Aufschwung wird sich 2007 fortsetzen«

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Bundeswirtschaftsminister Michael Glos ist überzeugt: Der derzeitige Aufschwung wird sich auch 2007 fortsetzen. Beim OWL-Unternehmertag in der Bielefelder Stadthalle nannte er fürs kommende Jahr eine Wachstumsrate, die »eher bei zwei als bei einem Prozent liegen wird.«

Seit 25 Jahren laden Organisationen der Wirtschaft -Êinzwischen sind es 15 -Êjährlich zum »Unternehmertag« mit einem prominenten Redner meistens aus der Politik. Unter den Gästen waren bisher Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU), die CDU-Vorsitzende und jetzige Kanzlerin Angela Merkel, ihr Vorgänger Gerhard Schröder und EU-Kommissar Günter Verheugen (beide SPD).
Dabei müssen sich die Redner auch kritische Fragen und Anmerkungen gefallen lassen. Der Sprecher der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe, Dr. Guido Sandler, vermisste etwa schon bei der Begrüßung in der Vergangenheit bei Glos »eine klare und allen Teilnehmern am Wirtschaftsleben einleuchtende strategische Grundlinie«. Ortwin Goldbeck, seit wenigen Tagen neuer Präsident der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen, mahnte Glos in einer kurzen Antwort auf dessen Rede, die Große Koalition müsse gegenwärtig den kleinen Aufschwung nutzen, um »die nötigen Reformschritten zu unternehmen«. Bisher laufe noch zu viel falsch oder in die falsche Richtung.
Glos selbst erhielt am Samstag immer dann Beifall von den gut 600 Besuchern des Unternehmertags, wenn er die Rolle des Mittelstandes betonte. »die deutsche Wirtschaft erschöpft sich nicht in den 30 Dax-Unternehmen«. 70 Prozent der Arbeitnehmer würden vom Mittelstand bezahlt. Ohne ausdrücklich eine Reform des Kündigungsschutzes zu fordern verlangte der CSU-Politiker »Maßnahmen, die es dem Mittelstand erleichtern, Personal einzustellen.« In diesem Fall dürfe der Koalitionsvertrag nicht das letzte Maß aller Dinge sein: »Solche Verträge sind dazu da, dass man sie, sobald das gegenseitige Vertrauen gefestigt ist, weiter schreibt.«
Glos verteidigte die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte zum Zwecke des Schuldenabbaus und der Senkung der Lohnzusatzkosten. Im letzteren Fall schlug der Minister erneut eine weitere Absenkung des Beitragssatzes an die Bundesagentur für Arbeit von 6,5 nicht nur auf 4,5, sondern auf 4,0 Prozent vor.
Den Unternehmenssteuersatz von durchschnittlich 38 Prozent stufte Glos als »nicht mehr konkurrenzfähig« ein. Deutschland stehe hier in einem scharfen Wettbewerb selbst mit Nachbar Österreich. Bei einer Senkung solle zwar die Bemessungsgrundlage durch Streichung von Ausnahmefällen vergrößert werden. »Unterm Strich muss aber eine Entlastung für die Unternehmer herausspringen«, forderte Glos. Vor allem sei die Benachteiligung der Personengesellschaften zu beenden. Glos sprach sich dafür aus, Gewinne, die nicht privat entnommen, sondern im Betrieb zurückgelegt werden, steuerlich besser zu stellen.
Grundsätzlich befürwortete Glos den Abbau bürokratischer Hemmnisse. Zugleich nannte er aber Beispiele, bei denen die Verbände der Wirtschaft weiter gehende Liberalisierungen verhindert hätten. Viel Bürokratie werde außerdem durch Erlasse der EU verursacht. Ein Beispiel sei die Anti-Diskriminierungrichtlinie. Hier müssten sich die Parteien und Regierungen künftig früher kritisch in den Gesetzgebungsprozess einschalten. Grundsätzlich habe der größere europäische Binnenmarkt jedoch viele Vorteile gebracht und es Deutschland ermöglicht, seine führende Rolle als Exportnation und im Welthandel zu behaupten. Glos begrüßte auch die Hereinnahme der beiden weiteren Mitgliedsstaaten Rumänien und Bulgarien: »Nur muss es ein Ende haben, dass jedes Land auch einen eigenen Kommissar in Brüssel stellen muss.«

Artikel vom 25.09.2006