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Wer sich nicht sicher ist,
geht lieber ins Geschäft

Willi und Irmgard Sonneborn sind »die« Pilzkundler

Von Markus Poch (Text und Fotos)
Senne (WB). Volle Eisdielen und T-Shirt-Temperaturen werfen Zweifel auf: Dass an diesem Samstag der Herbst beginnt, ist schwer zu glauben. Vor allem die Pilzsammler verstehen die Welt nicht mehr.

Sie sollten derzeit Hochsaison haben, doch im Wald steht kaum ein mickriger Täubling. Was für ein verrücktes Pilzjahr 2006!
»Alles war um vier Wochen verschoben«, sagt Irmgrad Sonneborn (84), Pilz-Expertin aus Senne. »Die Schwemme, die sonst mit dem Herbstanfang kommt, hatten wir bereits im August. Nach dem heißen Juli gab es überraschend große Mengen. Aber im Augenblick ist der Wald leer.« Ihr Ehemann Willi (82) dreht einen großen Stadt-Champignon zwischen den Fingern. »Den haben wir zwischen Asphalt und Rinnstein auf einem Parkplatz gefunden. . .«
Seit 30 Jahren schon beschäftigen sich der frühere Sanitärkaufmann und die ehemalige Lebensmittelverkäuferin wissenschaftlich mit Pilzen. Sie leiteten Volkshochschulkurse, machen Exkursionen und Kartierungen, halten Vorträge, organisieren Ausstellungen. Auch Kliniken schätzen ihren Sachverstand bei Pilzvergiftungen. Der Bundespräsident ehrte beide mit dem Bundesverdienstkreuz.
2 600 Pilzarten bestimmten die Sonneborns allein in Ostwestfalen, davon 1 840 in Bielefeld. Noch heute, mit Anfang/Mitte 80, verbringen sie zwei bis drei Tage pro Woche an der frischen Luft, den Blick immer dicht am Waldboden. »Sobald es kühler und feuchter wird, kommt ein zweiter Schub Pilze«, glaubt Willi Sonneborn. Maronen, Steinpilze, Täublinge und Hallimasch wären dann unter anderen bei den Genießbaren an der Reihe. Ein luftiges Körbchen und ein kleines Messer sollte jeder Sammler dabei haben. Doch der Experte warnt vor Giftpilzen: »Wer sich beim Sammeln nicht sicher ist, geht lieber ins Geschäft!«

Artikel vom 23.09.2006