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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr.Dr. Markus Jacobs


Es gehört zu den traurigen Anteilen der aggressiven Reaktionen auf die Vorlesung des Papstes in seiner ehemaligen Regensburger Universität, dass sie genau für das ein Beispiel bieten, worauf Benedikt XVI. aufmerksam machen wollte. Denn das eigentliche Thema des Papstes war die »Vernunft« in ihrem Verhältnis zum Glauben. Und er sprach zu den Menschen einer heutigen deutschen Universität, die gewohnt sein müssten, die Vernunft zu gebrauchen.
Das kostet Anstrengung - und genau zu dieser Anstrengung wollte der Papst aufrufen. Er ist der Meinung, dass viele Studenten und Professoren diese Anstrengung heute nicht in ausreichendem Maße auf sich nehmen. Ihm selbst ist es, wie er mehrfach durchblicken ließ, als Professor der Theologie gerade darum gegangen: Erstens. herauszuarbeiten, dass sich Glaube und Vernunft nicht widersprechen; zweitens. jene Anteile an der Wahrnehmung der Wirklichkeit schärfer zu umreißen, in denen eine Glaubenssicht die »normale Wahrnehmung« übersteigt.
Und nun passiert ihm genau dies, worauf er eigentlich die Aufmerksamkeit der Zuhörer im Saal richten wollte: Die »vernunftbezogene«, in diesem Fall besser gesagt »theologisch-wissenschaftliche« Auseinandersetzung mit seinen Worten wird von aggressiven Emotionen verdrängt. Islamisten rufen wutentbrannt zu Entschuldigungen oder gar zu aggressiven Aktionen wegen Aussagen auf, die der Papst gar nicht als seine eigene Meinung hingestellt hat. Statt dessen hatte der Papst einen Kaiser aus dem Mittelalter zitiert. Dies bedeutet, dass er die Aussage eines anderen wiedergegeben hat, um an ihr etwas zu verdeutlichen. Die Reaktionen streichen gewissermaßen die Anführungszeichen, in denen die zitierten Worte standen und legen sie dem Papst in den Mund.
Es ist entlastend zu sehen, dass die Erklärungen des Papstes in den folgenden Tagen - im wahrsten Sinne des Wortes »Gott sei Dank« - zur Beruhigung des Klimas beitragen konnten. Was aber bleibt, ist das Bedrückende dieses Vorganges und das ursprüngliche Anliegen des Papstes.
Denn es ging ihm darum, dass in Bezug auf Gott die Vernunft nicht über die Emotion mit all ihren Gefährdungen herrschen dürfe. Dazu hatte er aus einer Schrift zitiert, die kürzlich durch einen der bekanntesten deutschen Islamwissenschaftler, Professor Adel Theodore Khoury, neu herausgegeben worden war. Die Schrift ist fast 800 Jahre alt und stammt aus der Feder des theologisch gebildeten griechischen Kaisers Manuel II., der vor der Tatsache stand, dass sein Reich in den vorangegangenen Jahrzehnten durch Überfälle der im Namen des Islams angreifenden Heere riesige Gebiete verloren hatte. Wenige Jahre später ging das christlich-byzantinische Reich tatsächlich unter den Angriffen der moslemischen Türken gänzlich unter. Die wertenden Formulierungen dieses bedrohten Kaisers über den kriegerischen Islam, die der Papst zwar zitierte, sich aber nicht zu eigen machte, gingen überall durch die Presse.
Dagegen wollte aber derselbe christliche Kaiser es ja genau mit dem vernunftbestimmten Gespräch darüber versuchen. In seinem Dialog mit einem moslemischen Gelehrten argumentiert er, dass es dem Wesen Gottes widerspricht, in seinem Namen zu töten. Dies sei eine Einsicht der Vernunft, welcher der praktizierte Glaube nicht widersprechen dürfe. Wenn nun der Koran einen Djihad, einen Einsatz für Gott, der aber auch Krieg bedeuten kann, aus dem Mund Mohammeds fordere, dann widerspreche dies der vernünftigen Dimension jeglichen Glaubens. Manuel II. fasst zusammen: »Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung . . . Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann . . .«
Wie sehr der Papst mit seinem eigentlichen Anliegen recht hatte, ließ sich aus den Reaktionen der vergangenen Tage ablesen. Und auch heute ist ein Dialog der Religionen nur möglich, wenn er an die Vernunft appellieren darf. Dem Christentum, das sich schon oft gegen seinen eigenen Anspruch versündigt hat, wurde diese Verpflichtung zu »logischem« Argumentieren wenigstens von Anfang an ins Stammbuch geschrieben: »Im Anfang war das Wort (logos) . . . und das Wort war Gott« (Joh 1,1).

Artikel vom 23.09.2006