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Streit um Gesundheit
innerhalb der Union

Müntefering kritisiert die Ministerpräsidenten

Berlin (Reuters). Das Ringen um die Gesundheitsreform sorgt nun auch für heftigen Streit innerhalb der Union. Vize-Kanzler Franz Müntefering krisierte Unions-Ministerpräsidenten.
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, wandte sich am Wochenende gegen die Forderungen anderer Unions-Regierungschefs nach einer höheren Belastungsgrenze für die gesetzlich Krankenversicherten. Der Christdemokrat warf einigen seiner Kollegen vor, sich nicht an die Vereinbarungen mit der SPD zu halten.
Nach Ansicht von Vizekanzler Franz Müntefering gefährden die Ministerpräsidenten von CDU und CSU mit ihrer Kritik die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Wie andere SPD-Politiker bekräftigte der Arbeitsminister, die SPD wolle an der umstrittenen Ein-Prozent-Überforderungsgrenze festhalten. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sagte, allenfalls über Details der Umsetzung könne gesprochen werden. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller bezweifelte, dass angesichts der unterschiedlichen Positionen ein großer Wurf bei der Reform hinzubekommen sei. Böhmer sagte mit Blick auf seine Unionskollegen, die große Koalition habe sich Anfang Juli auf Eckpunkte geeinigt. »Wer sie jetzt in Frage stellt, hat vorher offensichtlich nicht aufgepasst.« Müller verlangte wiederum den Wegfall der Regelung. Ebenso seien die Vorlagen des Gesundheitsministeriums zur privaten Krankenversicherung nicht hinnehmbar, da der Versicherungszweig damit zerstört werde. Vieles müsse grundsätzlich neu verhandelt werden. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) forderte, die Überforderungsgrenze müsse auf 2,5 bis drei Prozent angehoben werden.
Müntefering kritisierte, einzelne Ministerpräsidenten der Union mischten sich »offensichtlich in Verkennung ihrer Funktion« zu einem nicht angemessenen Zeitpunkt ein. Sie müssten aus Respekt vor der parlamentarischen Demokratie dafür sorgen, dass Regierung und Bundestag entscheiden könnten, ohne dass sich der Bundesrat schon vorher einschalte, sagte er. Es könne nicht erwartet werden, dass die drei Ebenen vor der Gesetzgebung alles miteinander vereinbarten. Kern der Reform ist ein Gesundheitsfonds, in den künftig die Beiträge sowie Steuermittel fließen sollen.
In den von Union und SPD vereinbarten Eckpunkten zur Gesundheitsreform ist festgelegt, dass jede Krankenkasse für jeden bei ihr versicherten Bürger eine feste Summe erhält. Dafür werden die - wie bisher - nach Einkommen gestaffelten Sozialbeiträge mit Haushaltsgeldern in einem Gesundheitsfonds zusammengeführt und dann an die Kassen weitergegeben.
Für Kassen, die mit diesen Mitteln nicht auskommen - etwa weil sie besonders viele Rentner, Arbeitslose oder chronisch Kranke in ihren Reihen haben - wird laut Eckpunkten die Möglichkeit geschaffen, eine Zusatzprämie zu erheben.
Um eine finanzielle Überforderung der Versicherten zu verhindern, einigten sich die Koalitionspartner darauf, diese Zusatzprämie auf maximal ein Prozent des Brutto-Haushaltseinkommens zu begrenzen. Einige Unions-Ministerpräsidenten halten diese Ein-Prozent-Regelung aber für unzureichend und nicht praktikabel. Sie befürchten, dass durch eine solche Deckelung »arme« Kassen zu wenig Geld erhalten und »reiche« Kassen ihnen dann über den geplanten neuen Finanzausgleich zusätzlich unter die Arme greifen müssen.
Solche reichen Kassen gibt es vor allem in wirtschaftsstarken Regionen wie Baden-Württemberg und Bayern, wo die Arbeitslosigkeit niedrig ist.

Artikel vom 25.09.2006