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Betreuten um
Geld gebracht

Anklage gegen Bruder erhoben

Von Christian Althoff
Herford (WB). Ein 31 Jahre alter Mann aus Herford soll als Betreuer seines geistig behinderten Bruders (41) dessen Konten geplündert haben. »Wir haben Anklage wegen Untreue erhoben«, bestätigte Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart aus Bielefeld.

Der geistig behinderte Herforder leidet unter dem Down-Syndrom und lebt seit Jahren in einer Wohneinrichtung in Bad Salzuflen (Kreis Lippe). Ursprünglich hatte das Amtsgericht Herford eine Tante des Mannes zu dessen Betreuerin bestellt, die sich um seine finanziellen Angelegenheiten kümmerte. Dann soll jedoch die Familie darauf gedrängt haben, dass künftig der in Herford lebende jüngere Bruder die Betreuung übernimmt. Da gegen den Mann nichts vorlag, war er im Jahr 2004 wunschgemäß zum neuen Betreuer bestimmt worden.
Kurz darauf soll der Herforder jedoch damit begonnen haben, die beiden Sparbücher und das Girokonto seines Bruders bei der Sparkasse Herford zu plündern - bis im Mai dieses Jahres kein Guthaben mehr vorhanden war. »Wir gehen von einem Schaden in Höhe von 7347 Euro aus«, sagte Oberstaatsanwalt Baumgart. Gegenüber dem Vormundschaftsgericht hat der Beschuldigte bereits ein Geständnis abgelegt.
Die Untreue war aufgeflogen, weil der Behinderte zum Schluss nicht einmal mehr über Taschengeld verfügte. Als das Wohnheim deshalb Verwandte des 41-Jährigen ansprach, schöpften diese Verdacht und wandten sich ans Gericht. Tragisch: Der Behinderte hatte sich seit langem auf eine mehrtägige Fahrt gefreut, die Ende September stattfindet und für die ihm nun das Geld fehlte. Deshalb haben Verwandte zusammengelegt, um ihm die Reise nun doch noch zu ermöglichen. Das Amtsgericht hat die Betreuung des Mannes inzwischen einer Großcousine übertragen.
Das Geld auf seinen Konten hatte sich der Herforder übrigens schwer verdient: Er arbeitet jeden Tag acht Stunden in einer Behindertenwerkstatt in Herford, wo er Möbelbeschläge verpackt oder unverkäufliche CDs aus ihren Plastikhüllen nimmt. Dafür bekommt er knapp 90 Euro - pro Monat.
Die Ermittlungen gegen den Bruder sind kein Einzelfall. So muss sich voraussichtlich Ende Oktober der frühere Gütersloher Rechtsanwalt Olaf O. (43) vor dem Landgericht Bielefeld verantworten. Er soll sich als Berufsbetreuer 827 000 Euro angeeignet haben, die seinen Betreuten gehörten.
In Köln ermittelt die Kripo derzeit gegen eine Frau (56), die als ehrenamtliche Betreuerin bis zu 20 Menschen ausgenommen haben soll. So soll sie sich Schmuck von fremdem Geld geleistet und ihre Zahnarztrechnungen über eine Betreute beglichen haben. »Das legal erzielte Einkommen der Frau hätte nicht einmal für die Miete ihrer Luxuswohnung gereicht«, erklärte ein Polizist.

Artikel vom 22.09.2006