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Wohltuend und geschmackvoll
Von Durchbeißern, Dauerlutschern und Bildhauern: Kleiner Bonbon-Klassiker feiert in diesem Jahr großes Jubiläum
Um es mit Rüdiger Hoffmann zu sagen: Ich weiß gar nicht, ob Sie's wussten, aber ist Ihnen eigentlich klar, dass Seelenforscher aus der Art, wie Sie ein Bonbon lutschen, Rückschlüsse auf Ihre Persönlichkeit ziehen können?
Laut einer Studie im Auftrag der Kalfany Bonbon GmbH & Co. KG können nämlich die meisten Naschkatzen in drei Kategorien eingeteilt werden: die Durchbeißer, die Dauerlutscher und die Bildhauer.
Dem Durchbeißer geht es aus Sicht der Psychologen um ein Erlebnis schneller Höhepunkte und rascher Wiederholung derselben: »Der Durchbruch gelingt ruckzuck - eine vergnügliche, wenn auch zahngefährdende Ersatzhandlung angesichts zeitraubender Schwierigkeiten bei der Lösung von Alltagsproblemen.«
Der Dauerlutscher sucht demzufolge eher eine länger währende Stütze bei der Bewältigung seiner Aufgaben. Ihm soll der Bonbongenuss die »paradiesische Dauer-Versüßung des Alltags bieten und reale Überforderungen in den Hintergrund rücken«.
Der Dritte im Bonbon-Bunde wäre der Bildhauer, der das Zuckerstück im Mund modelliert - »eine süße Last, die es konzentriert zu bearbeiten und konstruktiv aufzulösen gilt. Spannungssituationen des Alltags werden in einen entspannenden, kreativen Akt transformiert.«
Soweit die Theorie: Haben Sie sich wiedererkannt? Oder gehören Sie womöglich einer ganz anderen Spezies an? Den Liebhabern des Hustenbonbons zum Beispiel, die in diesem Bonbon-Spektrum eine besondere Rolle einnehmen. In diesem Fall wäre das Objekt Ihrer Begierde nicht nur Naschwerk oder Ersatzhandlung, sondern auch Therapeutikum. Die kleinen Helfer bei Husten und Heiserkeit: Wohltuend und geschmackvoll sollen sie sein.
Gelegentlich jedoch kann die süße Erfüllung auch ganz in den Vordergrund rücken, die Linderung von Hals- und Rachenbeschwerden übernimmt dann nur noch Alibi-Funktion. Vitamin- und Kräuterzusätze, natürliche Bestandteile und weitgehende Zuckerfreiheit lassen ein schlechtes Gewissen beim Verzehr auch gar nicht erst aufkommen. Zudem wird immer wieder auf die vorbeugenden Qualitäten der kleinen »Erkältungswaffen« hingewiesen. Man darf sie also getrost das ganze Jahr über naschen.
Zu den beliebtesten deutschen Marken auf diesem Sektor gehört Pulmoll. Den Bonbonklassiker in der roten Dose kennen 95 Prozent der Bundesbürger. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass die linsenförmigen Lutschpastillen mit der »P«-Prägung hierzulande bereits seit 50 Jahren auf dem Markt sind.
Die Anfänge gehen allerdings noch etwas weiter zurück. Als der französische Apotheker Jacques Lafarge 1946 ein neues Hustenmittel kreierte, stand für ihn zweifellos der gesundheitliche Aspekt im Vordergrund. Dass er seine Erfindung als Bonbon präsentierte, war dem Erfolg aber sicher ebenso wenig abträglich wie der sanfte Wohlgeschmack. Die medizinische Orientierung kam eher im gewählten Markennamen zum Ausdruck: Pulmoll ist vom lateinischen Wort »pulmones« (die Lungen) abgeleitet.
1956, die »Laboratoires Lafarge« produzierten schon mehr als zehn Millionen Dosen im Jahr, wagte man den Sprung über den Rhein - nach Deutschland, wo Pulmoll zunächst exklusiv in Apotheken verkauft wurde. Vorbeugung und Linderung bei Erkältung, Husten und Heiserkeit waren die primären Versprechen, auch in der Werbung: »Pulmoll im Mund, du bleibst gesund« hieß der erste Slogan.
Später holte man sich prominente Verstärkung ins Reklame-Boot. Anfang der 70er Jahre besang Roberto Blanco »die guten Sachen für Hals und Rachen«. Erstmals wurde Pulmoll nun auch in Drogerien und im Einzelhandel angeboten, in der Werbebotschaft dominierte weiter der Hinweis auf die heilende Wirkung: »Pulmoll - wenn der Husten schwinden soll«.
1975 lautete die Devise dann: Weg mit den Reimen, her mit der Lust am Naschen. »Tut wohl und schmeckt«, hieß es jetzt.
Lottofee Karin Tietze-Ludwig pflegte 1980 mit Pulmoll sogar ihre Stimme. Der Slogan »Tu' dir was Gutes - Nimm Pulmoll« brachte 1982 schließlich die Aspekte Gesundheit und Genuss auf einen Nenner.
Heute bewirbt Comedy-Star Rüdiger Hoffmann die inzwischen elf Pulmoll-Sorten. »Versuch's mal auf die sanfte Tour« heißt das Motto der TV-Spots, in denen der 42-Jährige Großmütter »wiederbelebt« und Hamster »rettet« - natürlich in nicht ganz ernst gemeinten Geschichten über die verblüffend umwerfende Wirkung von besonders sanftem Bonbongenuss. Unbeantwortet bleibt hier allerdings die Frage, ob der Paderborner nun ein Durchbeißer, ein Dauerlutscher oder ein Bildhauer ist. Kerstin Heyde

Artikel vom 14.10.2006