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Brummi-Reifen
aus Paderborn

Ralf Hämmerling dreht ein großes Rad

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Bridgestone und Michelin sind die Giganten im Reifenmarkt - sie liefern sich in der Formel 1 einen heißen Kampf. Dass im Schatten der Weltkonzerne ein vergleichsweise kleines Unternehmen aus Ostwestfalen ebenfalls ein großes Rad dreht, nehmen dagegen nur Insider wahr. Die Paderborner Hämmerling Group hat sich als Hersteller und Großhändler von Lkw-Reifen profiliert.

Ralf Hämmerling ist der klassische Selfmade-Mann. Im elterlichen Betrieb in Wedemark-Elze bei Hannover lernte er das Reifengeschäft von der Pieke auf, absolvierte gleich zwei Ausbildungen als Kfz-Mechaniker sowie als Industriekaufmann und machte sich im Alter von 22 Jahren im Paderborner Stadtteil Sennelager selbstständig. Das war 1979.
Heute beschäftigt er gut 70 Mitarbeiter, verkauft etwa eine halbe Million Pkw- sowie 80 000 Lkw-Reifen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 25 Millionen Euro. »Bundesweit zählen wir zu den Top fünf«, sagt der 49-Jährige nicht ohne Stolz.
Hämmerling hat sich auf die Runderneuerung von Brummi-Reifen spezialisiert - sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht ein Markt mit Zukunft. Denn neben Gummi wird für die Reifenherstellung vor allem Rohöl benötigt. Nach einer Öko-Test-Berechnung braucht man gut 30 Liter für einen neuen Pkw-Pneu, für einen runderneuerten dagegen nur 5,5 Liter. Bei Lkw-Reifen ist das Verhältnis ähnlich: 180 Liter Öl für einen neuen, 35 für einen runderneuerten. Angesichts der gestiegenen und offenbar weiter steigenden Ölpreise ein erhebliches Einsparpotenzial. »Die Reifenpreise«, davon ist Hämmerling überzeugt, »werden weiter anziehen, um fünf Prozent allein im Oktober«. Zudem sei das Angebot an Winterreifen schon jetzt knapp.
Sein Unternehmen profitiert deshalb vom wachsenden Kostenbewusstsein der Lkw-Betreiber. 40 Prozent aller deutschen Laster würden bereits mit runderneuerten Reifen ausgestattet. Hämmerling setzt dabei auf seine beiden Eigenmarken, die unter den Namen »Sämmt« und »Mäxx« in den Handel kommen. Er betreibt im Werk Sennelager nach eigenen Angaben die weltweit größte Vulkanisieranlage für mehr als 50 Lkw-Reifen mit einer Kapazität von 250 Stück pro Schicht.
Lkw-Reifen können bis zu drei Mal mit neuen Profilen bestückt werden und leisten bei fachgerechten Runderneuerungen bis zu 500 000 Kilometer. Etwa 70 Runderneuerer gibt es in Deutschland.
»Wir haben eine Jahreskapazität von 50 000 Reifen und ebenso viele ständig auf Lager«, sagt Ralf Hämmerling. Erhebliche Reifenmengen kauft er nach eigenen Angaben inzwischen in China ein und vertreibt sie teilweise exklusiv europaweit. »Die Chinesen haben sich längst unserem Niveau angepasst«, sieht der Paderborner Unternehmer noch erhebliches Potenzial in Fernost. »Die großen etablierten Hersteller werden die Konkurrenz zunehmend spüren.«
Denn auch beim privaten Autofahrer registriert Hämmerling zunehmende Sparsamkeit. »Es rutscht alles eine Stufe tiefer. Wer früher Premiumreifen gefahren hat, begnügt sich heute mit mittlerer Qualität.« Er selbst fährt einen Porsche Carrera und testet gern verschiedene Fabrikate. »Aber in der Spitze sind die Unterschiede marginal geworden«, hat der Experte festgestellt.
Er selbst setzt deshalb eher auf das Nischengeschäft. »Ausbauen wollen wir den Handel mit Radladerreifen«, nennt Hämmerling einen seiner Zukunftspläne. Denn es gibt weltweit nur wenige Unternehmen, die jene Superpneus mit 2,50 Metern Durchmesser herstellen. Da komme es immer wieder zu Versorgungsengpässen.
Vor wenigen Wochen hat die Hämmerling Group für das Balkangeschäft ein Runderneuerungswerk vor den Toren Belgrads eröffnet. »Dort liegen die Löhne bei 300 bis 400 Euro«, nennt Hämmerling einen der Gründe. Von Serbien aus soll in erster Linie der Osteuropa-Export bedient werden.
Die Produktion in Deutschland sieht er dadurch nicht beeinträchtigt. »Im Gegenteil«, beteuert Hämmerling. »Ich glaube, dass wir unsere Produktion hier vor Ort sogar noch ausweiten können.« Der Bedarf an Runderneuerten werde weiter steigen. »Und Paderborn bleibt für uns der Standort Nummer eins.«

Zur Person
Der 49-jährige Ralf Hämmerling ist Motorsport-Fan, seinem Porsche Carrera S gibt er selbst allerdings nur gelegentlich auf der Autobahn die Sporen. Zur Seite steht dem Unternehmer seine Ehefrau Barbara (46). Sie ist in der Firmengruppe für den Bereich Marketing verantwortlich. Die Hämmerlings haben zwei Töchter: Carolin (20) studiert Wirtschaftswissenschaften, Christina (18) besucht ein Wirtschaftsgymnasium. Ob eine von ihnen oder gar beide ein Mal in die Fußstapfen der Eltern treten werden, ist offen. »Darum mache ich mir noch keine Gedanken«, sagt Ralf Hämmerling. »Die Entscheidung müssen sie ganz allein treffen.«

Artikel vom 28.09.2006