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»Die vollen Netze der
Vergangenheit ablagern«

Horst Skopp liest in Sennestadt aus seiner Biographie

Sennestadt (oh). »Ich wollte die vollen Netze der Vergangenheit ablagern«, sagt Horst Skopp (85). Zwar hätten ihm viele und grausame Ereignisse lange den Mund verschlossen und eine Elefantenhaut verpasst, meint der Sennestädter Apotheker in Ruhestand. Seiner Familie zuliebe schrieb er jetzt jedoch seine Autobiographie.

»Überlebenschance Pharmazie: Imaginäre Schlösser 1921 - 1950« heißt das Buch, das der 1921 in Breslau geborene Skopp jetzt präsentierte und aus dem er am 24. Oktober um 18.30 Uhr öffentlich in der Volksbank in Sennestadt vorlesen wird. »Denn es ist nicht nur eine Familienchronik«, sagt Skopp. Sein Hauptanliegen war vielmehr, die Zeitspanne von 1921 bis 1950, geprägt von zwei Weltkriegen in Europa, aufzuarbeiten.
»Es ist aber weder ein ausgesprochener Kriegs- noch ein Antikriegsroman«, so der Autor über das Buch, an dem er ein Jahr intensiv geschrieben und für das er mehr als 400 Seiten handschriftlich gefüllt hat. Es seien vielmehr Annalen einer Zeit des historischen Umbruches. Und es gehe darin um mehr als um das Thema einer verlorenen Jugend in einer missbrauchten Demokratie.
Als verhätscheltes Einzelkind wuchs er in Breslau auf. In den Jahre des vermeintlichen Friedens wird er selbst Teil einer in sich gefügten Gesellschaft, die den Ersten Weltkrieg vergessen möchte. »Wie alle schlitterte ich völlig unvorbereitet voll in die Gräuel des Zweiten Weltkrieges und in die Gefangenschaft hinein«, erinnert sich Skopp. »In dem von den Nazis angezettelten Krieg wurde ich als Befehlsempfänger und Ausführender für deren Anordnungen missbraucht.«
Trotz gefährlicher Himmelfahrts-Kommandos, angedrohter Kriegsgerichtsverfahren und eigener Mutbeweise sei er halbwegs verschont geblieben in einer völlig aus den Fugen geratenen und zerbrochenen Welt und Umwelt. Dennoch habe er sich erniedrigt, entehrt, beschämt, entwürdigt und erdrückt gefühlt - als Spielball unbekannter Mächte. Dazu gehörte, dass er als vermeintlicher »Totschläger« unschuldig zu sieben Jahren Straflager in Workuta verurteilt wird. Er wird später rehabilitiert und 1950 nach Westdeutschland entlassen. Dort nimmt er sein Pharmaziestudium wieder auf.
Das Buch ist im örtlichen Buchhandel zum Preis von 29.50 Euro erhältlich. Der Erlös wird teilweise der »Michael Skopp Stiftung« (Slum-Kinder in Guatemala), dem Volksbund Kriegsgräberfürsorge und dem Denkmalschutz zur Verfügung gestellt.

Artikel vom 22.09.2006