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Marco Böckelmann ist Diplom-Psychologe.Fotos: Ellen GrundmannHistorische Fassade, modernes Innenleben -Êdas »in.ti - Institut für Tinnitus-Forschung und Therapie« liegt im Kurpark.

Tinnitus - den »kleinen Mann im Ohr« ignorieren

Tinnitus-Kompaktkur im Institut für Spezial-Forschung und Therapie

Von Ellen Grundmann
Bad Meinberg (WB). »Es pfeift, es rauscht, es brummt« - dauerhafte Ohrgeräusche machen auf unterschiedlichste Weise das Leben anstrengend. Der Grad der Beschwerden und Auswirkungen reicht von leichter bis zu unerträglicher Belastung. Da eine Heilung nicht möglich ist, gilt es, eine Weg zu finden, mit Tinnitus den Alltag zu meistern. Mit Geräuschen, die nur der Betroffene hört. Dabei hilft das »in.ti - Zentrum für Tinnitus-Forschung und Therapie«.

»Im Jahr 2000 entstand das Institut in Bad Meinberg«, erzählt Diplom-Psychologe Marco Böckelmann. Und damit ein zusätzliches Angebot für Tinnitus-Patienten, die zuvor in eine Klinik eingewiesen wurden. Das Besondere am »in.ti«, dem Institut für Tinnitus-Forschung und Therapie, ist die interdisziplinäre Diagnostik und Therapie. Interdisziplinär bedeutet, die Patienten begeben sich in die Hände von HNO-Ärzten, Kur-Arzt, Audiologen/Hörgeräteakustikern und Psychologen, die gemeinsam eine optimale Therapie zusammenstellen. In Kooperation mit dem Staatsbad Meinberg führt das »in.ti« die so genannte »Tinnitus-Kompaktkur« durch. Das Konzept ist vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen anerkannt, die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Therapiekosten.
»Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Frage ÝWarum leidet der Patient unter dem Tinnitus?Ü«, betont Marco Böckelmann. In der Regel kommen die Betroffenen mit dem Tinnitus ganz gut zurecht. Der Diplom-Psychologe gibt zu bedenken, dass etwa drei Millionen Menschen in Deutschland Ohrgeräusche haben. »Die eine Hälfte, die leidet darunter, die andere nicht«, so der 39-Jährige. Warum dies so ist, gilt es individuell zu klären. Erst dann kann eine Therapie erfolgreich sein.
Die Ursachen für einen Tinnitus sind hypothetisch. Experten mutmaßen, dass ein Defekt der feinen Haarsinneszellen, die Töne entschlüsseln und ans Gehirn weiterleiten, im Innenohr schuld sein könnte. Auch in der Diskussion darüber, wann ein Tinnitus als chronisch zu bezeichnen ist, scheiden sich die Geister.
Was aber löst einen Tinnitus aus? »Mehr als 80 Prozent der Patienten, die zu uns kommen, sind extremen Stresssituationen ausgesetzt, haben einschneidende Lebensereignisse hinter sich«, weiß der Diplom-Psychologe aus Erfahrung.
Natürlich kann auch ein lauter Knall zu einem Ohrgeräusch, einem akuten Tinnitus, führen, das allerdings nicht sehr lange anhält. Auch Hörprobleme können Tinnitus hervorrufen. Dem gehen die Experten in Bad Meinberg auf den Grund.
Wird der Leidensdruck unerträglich, kann der Tinnitus zu Schlaf- und Konzentrations-Störungen, Sorgen, Problemen im Beruf, Ängsten und Depressionen führen. Die Depression wiederum verstärkt die Wahrnehmung des Tons. Geräuschempfindliche Patienten ziehen sich aus Angst vor Geräuschen zurück. »Da wird sogar die Spülmaschine als laut empfunden«, erklärt Marco Böckelmann. Mit dem Rückzug schwinden die sozialen Kontakte.
Auch irrationale Ängste vor dem Dauerton und befürchteten Folgeerkrankungen verunsichern. »Tinnitus ist in den allerseltensten Fällen Symptom eines Tumors oder keinesfalls Vorbote eines Schlaganfalls«, betont Marco Böckelmann. Ebensowenig führt der Tinnitus zu Hörverlust. Aufklärung ist angesagt! Das Wissen nimmt den Betroffenen die Angst und die Belastung wird kleiner.
Nun kommt die ausführliche Diagnostik sowie eine Vier-Säulen-Therapie ins Spiel. Hierzu werden folgende Untersuchungen durchgeführt: HNO-Untersuchung, Audiologische Untersuchung (Tonaudiometrie, Tinnitusraster und Hyperakusismessung/Geräuschempfindlichkeit) und das psychologische Gespräch. Hinzu kommt eine kurärztliche Untersuchung. Liegen die Befunde vor, setzt sich das »in.ti«-Team zusammen und legt die therapeutischen Schwerpunkte fest.
In der Gruppentherapie mit zehn Teilnehmern treffen die Kurgäste auf Ihresgleichen. Allein der Austausch mit Gleichgesinnten bringt schon Erleichterung für den einen oder anderen, der vielleicht zu Hause nur Kopf schüttelnd beäugt wurde. Mit Entspannungsmethoden, wie der Muskelrelaxation nach Jacobson, lernt der Tinnitus-Patient Anspannungen abzubauen. Beim Einsatz eines »Noisers« oder einer Noiser-Hörgerät-Kombination greift die Tinnitus-Retraining-Therapie, in der der Betroffene lernt, »seinen« Dauerton zu überhören, einfach auszublenden.
Als Lebenshilfe nach der Kur bieten die Experten die sogenannte »zweijährige Nachbetreuung«, einen Tinnitus-Notruf, der auch an Wochenenden und Feiertagen erreichbar ist.

Artikel vom 06.10.2006