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Achim Reichel machte im Rahmen seiner Deutschlandtournee jetzt auch in Bielefeld Station. Foto: Rahe

Urgestein des Rocks
»verpackt« Volkslieder

Achim Reichel & Band zu Gast im Ringlokschuppen


Von Jürgen Rahe
Bielefeld (WB). Achim Reichel, Urvater der deutschen Rockmusik, betritt ein ungewöhnliches, neues Terrain: Der 62-jährige Künstler hat ein Album mit deutschen Volksliedern aufgenommen und sie Dienstagabend im Ringlokschuppen den Konzertbesuchern präsentiert. Die Resonanz ist überwiegend positiv. Es gibt aber auch kritische Stimmen.
»Wer seit mehr als vier Jahrzehnten wie Achim Reichel erfolgreich im Musikgeschäft vertreten ist, hat ganz bestimmt ein Recht, einmal neue kreative Wege zu gehen. Ich finde ihn jedenfalls ganz toll, und auch das heutige Konzert gefällt mir ausgezeichnet.« Originalaussage einer Mittvierzigerin während der Konzertpause nach gut einstündigem Auftritt.
Ganz entgegengesetzt steht da die Meinung eines eingefleischten 43-jährigen Achim-Reichel-Fans, der sich in der zweiten Konzerthälfte noch vier Musikstücke anhört und dann den ausverkauften Ringlokschuppen verlässt. »Das Bielefelder Achim-Reichel-Konzert vor drei Jahren war eindeutig besser. Ich weiß nicht, ob er sich mit den neuen Volksliedern einen Gefallen getan hat.«
Nun ja, über Musikgeschmack lässt sich bekanntlich streiten. Auf jeden Fall ist die neue Musikrichtung ein wenig gewöhnungsbedürftig. Vor allem für die Fans, die den »Hamburger Jung« noch aus seiner Anfangszeit kennen, als er mit seiner Beatband »Rattles« hierzulande mächtig für Furore sorgte. Die »Rattles« durften 1966 sogar im Vorprogramm der einzigen Deutschlandtournee der legendären »Beatles« aufspielen.
Aber Achim Reichel ist nie jemand gewesen, der sich vor einen musikalischen Karren hat spannen lassen. Im Gegenteil: Er erkannte schon vor Jahren, dass man die Lieder aus unserer Vergangenheit durchaus gegenwartsbezogen verpacken kann. Reichel: »Ich habe Shantys gemacht und bin jetzt mit den Volksliedern woanders angekommen. Volkslieder sind wie Bäume - du kannst ihnen die Krone stutzen, die Wurzeln aber bleiben erhalten.« Er sei ruhiger geworden und habe nicht mehr den Wunsch, es ständig krachen zu lassen, fügt der Sänger hinzu. »Für mich sind inzwischen auch subtilere musikalische Formen interessant.«
Und davon kann sich das Bielefelder Publikum beim Konzert im Ringlokschuppen vollauf überzeugen. Bei Stücken aus dem neuen Album (»Die Gedanken sind frei«, »Hohe Tannen«, »Die Ballade von den Königskindern«) gibt es spontanen bis kräftigen Applaus.
Doch so richtig kocht die Stimmung im Saal erst in der zweiten Hälfte des dreistündigen Konzertes hoch. Und das ist auch das Verdienst der hervorragend aufspielenden fünfköpfigen Begleitband. Bei Klassikern wie »Fliegende Pferde«, »Herr von Ribbeck« und »Aloha Heja He« gibt es kein Halten mehr. Die vielen Fans erheben sich von ihren Sitzen und klatschen begeistert zu Text und Rhythmus mit.
Zu den absoluten Topsongs in Reichels Solokarriere gehört auch die gut fünfminütige Singleauskopplung »Der Spieler«. Hier kann der Sänger sein einzigartiges Können im schnelllebigen Musikgeschäft so richtig zur Entfaltung bringen. Erfreulich aus Publikumssicht: Den Evergreen präsentierte Achim Reichel jetzt auch in Bielefeld.

Artikel vom 21.09.2006