20.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bauhaus und sakrale Kunst

Architekt Fritz Karl Wachtmann spricht im Erzählcafé


Brackwede (nka). »Schön zu sehen, dass die Räumlichkeiten des Gemeindehauses, das ich vor Jahren konzipiert habe, zu einem so interessanten Zweck genutzt werden.« Mit diesen Worten begrüßte Fritz Karl Wachtmann am Montag die zahlreich erschienenen Zuhörer im Erzählcafé. Seit 40 Jahren ist er jetzt selbstständiger Architekt im Bielefelder Raum und pflegt zusätzlich mit Erfolg seine Leidenschaft für die Malerei.
Geboren wird Wachtmann 1938 im Rheinland. »Doch da fielen die Bomben natürlich damals zuerst«, erinnert sich der 68-Jährige. So siedelt die Familie 1943 zu Verwandten nach Senne um. Der Vater, eigentlich Diakon und in der Gemeindearbeit tätig, muss an die Front.
Auch Wachtmanns weitere Kindheit steht im Zeichen des Krieges. Oft hören er und seine Freunde den Bombenalarm bereits auf dem Schulweg, verbringen viel Zeit zu Hause oder spielen auf dem Truppenübungsplatz. Nach Kriegsende, als der Vater aus der Gefangenschaft zurückkehrt, ziehen die Wachtmanns mit den beiden Söhnen nach Bethel, wo der Seelsorger eine Stelle als Verwaltungsleiter antritt. Hier beginnt für Fritz Karl Wachtmann die behütete Zeit als »Bethel-Kind«, in der er seine musischen Fähigkeiten entdeckt und vor allem zeichnet, aber auch mehrere Instrumente erlernt.
Als die Zeit kommt, sich über einen Berufswunsch Gedanken zu machen, ist die Wahl schnell getroffen. Wachtmann beginnt eine Tischlerlehre. Ihn reizt der Gedanke, Dinge mit den eigenen Händen zu schaffen, in einer Zeit, in der seine Heimatstadt zu großen Teilen noch in Trümmern liegt. »Heutzutage haben Architekturstudenten viel zu wenig Praxiserfahrung. Für mich war das damals eine sehr wichtige und lehrreiche Zeit.« Die Gesellenprüfung und das anschließende Studium an der Werkkunstschule in Bielefeld schließt Wachtmann mit Bestnoten ab und macht sich mit lobenden Empfehlungsschreiben seiner Lehrer auf nach Hamburg, wo er zunächst in mehreren Architekturbüros aushilft. »Besonders spannend war ein Bauprojekt in Teheran, an dem ich beteiligt war. Als wir in der dortigen Uniklinik alle WCs umkonzipieren mussten,weil die Benutzer nicht mit dem Allerwertesten nach Mekka hin Platz nehmen durften, wurde mir klar, was Kompromisse im Bauwesen bedeuten«, schmunzelt der Architekt.
Im anschließenden Studium an der Kunsthochschule lernt er bei Bauhäusler Kurt Kranz, dass es »immer mehr als eine Lösung für ein bauliches Problem gibt«. Während eines Praktikums bei Sennestadt-Planer Professor Bernhard Reichow begegnet er seiner späteren Frau. Die beiden beschließen, zur Familien- und Existenzgründung in Bielefeld sesshaft zu werden. Ein Glück für die Stadt, denn in den Folgejahren macht er sich vor allem durch den Bau von Gemeindezentren, Kindergärten und Pflegeheimen verdient. »Eine gewisse Atmosphäre in diese Häuser zu bringen, sie funktionell und freundlich zu gestalten«, ist sein großes Anliegen. Als die Brackweder Kirche 1990 abbrennt, rekonstruieren er und seine Mitarbeiter mühevoll ihr Vorkriegsantlitz, in Ermangelung alter Pläne zum Teil nach Bildvorlagen.
Inzwischen kann man die führende Hand Wachtmanns aber nicht mehr nur an Bauwerken erkennen: Der talentierte Zeichner hat unter anderem in der Matthäuskirche und in der Kapelle von Gilead I die Fenster mit bunten Glasmalereien verziert. Außerdem kreiert er Schmuck, Möbel mit kunstvollen Einlegearbeiten und aufwendige Bildzyklen, wie zum Beispiel den »Karneval der Tiere« für seine Enkel. Nach 40 Jahren im Bauwesen nimmt Fritz Karl Wachtmann nun keine neuen Bauaufträge mehr entgegen, aber die Muse wird ihn sicher noch häufig küssen.

Artikel vom 20.09.2006