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»Gerechtigkeit
und Wohlstand
für alle sind
volkswirtschaftlich ohne Kinder nicht
zu haben.«

Leitartikel
Familienpolitik

Zwist
ums
Splitting


Von Jürgen Liminski
Familie hat keine Lobby in der Politik.
Oder doch? Wie es scheint, macht sich jetzt der Landesverband der CDU in Sachsen unter Führung von Ministerpräsident Georg Milbradt für die Familie stark, und das nicht aus Nostalgie oder konservativer Gesinnung, sondern aus den knallharten Gründen der Gerechtigkeit und des künftigen Wohlstands für alle.
Der ist volkswirtschaftlich ohne Kinder nicht zu haben, und da die Kinder weniger werden, müssen sie besser sein in sozialer Kompetenz und Teamfähigkeit, in Ausdauer, im Lernen-Können, in emotionaler Intelligenz - kurz, in allem, was die Fachleute mit Humanvermögen umschreiben.
Das aber wird in der Familie gebildet. Die Sachsen wollen schlicht mehr und bessere Kinder und Gerechtigkeit für Familien. Und zwar für alle, auch die Nicht-Sachsen.
Wie will die sächsische CDU das bewerkstelligen? Milbradt fordert ein Familiensplitting, also, grob gesagt, die Teílung des zu versteuernden Einkommens einer Familie durch die Zahl ihrer Köpfe. Wer drei Kinder hat, dessen Einkommen wird durch fünf geteilt, nicht wie bisher nur durch zwei. Das fordern auch andere.
Aber Milbradt will deshalb nicht das Ehegattensplitting schmälern, sondern erweitern. Einige Experten schätzen die Kosten auf 15 Milliarden Euro. Die liegen freilich nicht auf der Straße, aber für den Politiker Milbradt ist das eine Frage der politischen Prioritätensetzung. Da er nicht nur über Familie redet, sondern auch handelt, wie man in Sachsen sieht - in Thüringen ist es mit dem dortigen Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) übrigens ähnlich - , ist er auch glaubwürdig. Er wird für diese Idee kämpfen.
Gegner werden nicht fehlen. Von den üblichen Bedenkenträgern in den Medien und Ministerien einmal abgesehen, wird er auch unter seinen Amtskollegen auf Widerstand stoßen. Der bayerische Ministerpräsident zum Beispiel ist strikt gegen ein Familiensplitting. Er fürchtet offenbar eine Schwächung des Instituts der Ehe. Aber es geht ja beim Modell Milbradt nicht um eine Abschaffung des Ehegattensplittings, sondern um seine Erweiterung.
Allenfalls kann man darüber nachdenken, ob Ehepaare, die noch keine Kinder haben, nur in den Genuss eines geschmälerten Splittings kommen sollen. Bei Ehegatten, deren Kinder bereits aus dem Haus sind, verbietet sich eine Schmälerung. Sie haben Zeit und Energie investiert, sie haben Humanvermögen gebildet und dürfen nicht um die Früchte dieser Arbeit gebracht werden.
Milbradts Offensive gibt der Programmdebatte der CDU neuen Schub. Damit könnte auch die CDU insgesamt wieder aus der Defensive herauskommen.
Was sich jetzt schon sagen lässt: Da es um Geld geht, wird es sich nicht vermeiden lassen, dass dieses Thema auch in den künftigen Wahlkampf kommt. Das ist sicher gewollt. Milbradt ist nicht der Mann, der sagt: War nur soÕ ne Idee.

Artikel vom 22.09.2006