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Hier wird auch den
Angehörigen geholfen

»Alzheimer-Tag«: 3700 Bielefelder sind demenzkrank

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Der Weltalzheimer-Tag am heutigen Donnerstag steht unter dem Motto »Unterstützung für pflegende Angehörige«. »Das Thema war uns wichtig, denn unter den starken Belastungen, die die Pflege von Demenzkranken mit sich bringt, entwickeln 70 Prozent depressive Symptome«, sagt Dr. Christine Thomas, Leitende Ärztin der Abteilung Gerontopsychiatrie im Evangelischen Krankenhaus.

Demenzerkrankungen sind heute einer der häufigsten Erkrankungen in höherem Lebensalter. In Deutschland leben etwa eine Million Demenzkranke, in Bielefeld sind es 3700. Um sie kümmert sich die Gerontopsychiatrie in Bethel und das »Mobile Team Gerontopsychiatrie«.
80 Prozent aller an Demenz Erkrankten indes werden zu Hause von Angehörigen betreut und gepflegt. »Viele sind enorm belastet, scheuen sich aber, Hilfe zu holen«, weiß Dr. Matthias Förster vom Mobilen Team. Viele leiden irgendwann unter Einsamkeit, an der Sorge, selbst zu erkranken und nicht mehr pflegen zu können, und bei fortschreitender Krankheit auch unter der Entfremdung vom Kranken. »Die körperliche und seelische Überlastung führt folglich zu Depressionen und damit zu einem erhöhten Risiko, selbst an Demenz zu erkranken«, betont Dr. Christine Thomas.
Dabei können ambulante Pflegedienste und Tagespflegen sowie Entlastungs- und Schulungsangebote Angehörigen eine wertvolle Unterstützung bieten. Die Gerontopsychiatrie berät Angehörige individuell. Ferner trifft sich an jedem Mittwoch von 17 bis 18 Uhr eine Informationsgruppe für Angehörige Demenzkranker in der Klinik Gilead III (Bethesdaweg 12). Dort gibt es viele Informationen über entlastende Angebote wie Haushaltshilfen, Betreuungs- und Freizeitangebote und Begegnungsstätten.
In Kooperation mit der Bielefelder Alzheimer-Gesellschaft und weiteren Anbietern stellt die Gerontopsychiatrie auch heute in der Zeit von 10 bis 18 Uhr ihr umfassendes Beratungsangebot auf dem Jahnplatz vor.
Die Häufigkeit der Demenzerkrankung steigt mit dem Alter. »Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich die Zahl der Erkrankten bis ins Jahr 2050 verdoppelt haben«, sagt Dr. Thomas mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Problematik. Aber auch die typischen Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck und Bewegungsmangel würden das Risiko, an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz zu erkranken, erhöhen. Gefäßerkrankungen zählten ebenfalls zu den Risikofaktoren, und nicht zuletzt könne eine erbliche Disposition als Auslöser zugrunde liegen, erklärt Thomas.
»Von Demenz spricht man, wenn Gedächtnis- und Denkstörungen vorliegen, die seit mehr als sechs Monaten andauern und die zu einer Beeinträchtigung der Alltagsfertigkeiten führen«, verdeutlicht Dr. Michael Klemm vom Mobilen Team. Die beobachtbare Krankheitsdauer liegt bei zehn Jahren.
Behandelt wird medikamentös mit Cholinesterasehemmern, die als Gedächtnisaktivierer eingesetzt werden. »Sie können den Krankheitsverlauf verzögern und den Status für die Dauer von etwa einem Jahr aufrechterhalten«, erklärt Dr. Thomas. Zu den zusätzlichen Behandlungsmethoden gehören der Einsatz von Ergotherapie sowie das Erlernen von Strategien, mit denen die Gedächtnisdefizite kompensiert werden können.
Eine Therapie, die den Ausbruch der Krankheit verhindert, erst recht eine Chance auf Heilung gibt es nicht, bedauert Dr. Thomas. Zur Vorbeugung empfiehlt die Ärztin Bewegung, gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse und ungesättigten Fettsäuren sowie geistige und soziale Aktivität.
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Artikel vom 21.09.2006