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Alles Gute, Rudolf August Oetker

Der Firmen-Senior und Bielefelder Ehrenbürger feiert heute seinen 90. Geburtstag

Von Manfred Matheisen
Bielefeld (WB). Er wird am heutigen Mittwoch 90 Jahre alt. In fröhlicher Gelassenheit wird er am Nachmittag die Pensionäre empfangen - wie immer, wenn es einen runden Geburtstag zu feiern gibt. Rudolf August Oetker, einer der großen Männer der deutschen Wirtschaft, ist bodenständig und heimattreu geblieben.

Mit der Einladung an die Ehemaligen des Familienunternehmens drückt der Senior seine Wertschätzung denen gegenüber aus, die mitgeholfen haben, die Marke Dr. Oetker zu überragendem Erfolg zu führen. Zum 50. Geburtstag haben die Pensionäre Rudolf August Oetker eine Eiche geschenkt, die im Garten seines Hauses in der Senne gepflanzt wurde. »Nun kommen sie alle fünf Jahre, um zu besichtigen, wie groß der Baum geworden ist«, sagt er mit einem Lächeln.
Der direkte, vertrauensvolle Kontakt zu den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist Rudolf August Oetker wichtig. Er benötigt keine Seminarweisheiten zur Unternehmenskultur. Ein von gegenseitigem Respekt getragenes Miteinander war ihm stets Selbstverständlichkeit.
Der Senior des Familienunternehmens bezeichnet sich selbst als »eingefleischten Optimisten«. Er weiß aus Erfahrung, »dass die Menschen immer wieder Lösungen finden, auch wenn die Hindernisse noch so hoch sind.« Und er vermittelt ihnen, dass er an sie glaubt, ihnen vertraut.
Dr. Guido Sandler, der 1957 als Direktionsassistent zu Oetker kam und 1984 zum Generalbevollmächtigten berufen wurde (»Oetker hat mich geprägt«), sieht in dem vertrauensvollen Umgang ein wesentliches Merkmal der kontinuierlichen unternehmerischen Entwicklung: »Wir haben uns über Erfolge gemeinsam gefreut und Misserfolge gemeinsam ertragen.« Da falle die Angst ab, »über jeden Vorgang zur Sicherheit eine Aktennotiz anlegen zu müssen.«
Axel Andrée hat bis Ende 2005 24 Jahre für die Oetker-Gruppe gearbeitet, zuletzt als Verkaufschef im Nahrungsmittelbereich. Vor dem Geburtstagsjubilar zieht er den Hut: »Wenn wir eine persönliche Besprechung hatten, war er immer bestens informiert, stellte ganz präzise Fragen.« Oetker könne zuhören, erwarte offene und ehrliche Antworten. Auch in schwierigsten Situationen sei er ruhig geblieben: »Ihr werdet das schon machen«, sei sein aufmunterndes Schlusswort gewesen. »Immer wenn ich mit Rudolf August Oetker gesprochen habe, bin ich mit dem Gefühl 'rausgegangen, etwas gelernt zu haben«, sagt Andrée. Und mit einem Schmunzeln zitiert er das höchste Lob, das der Firmenpatriarch zu verteilen hatte: »Das habt ihr sehr ordentlich gemacht!«
Die Bodenständigkeit Rudolf August Oetkers drückt sich auch in der Liebe zu seiner Geburtsstadt Bielefeld aus, die ihn 1981 zum Ehrenbürger ernannte. Als die Stadt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Trümmern lag, krempelte er die Ärmel hoch. »Jammern nutzte doch nichts«, sagt er, »in unseren Köpfen war drin, dass wir wieder aufbauen mussten. Und wir waren uns alle einig: Das kriegen wir hin.» Mit Hochachtung spricht er von den sozialdemokratischen Oberbürgermeistern jener Jahre, Artur Ladebeck und Herbert Hinnendahl. Man sprach die selbe Sprache, hatte ein gemeinsames Ziel: aller Einsatz für Bielefeld.
Rudolf August Oetker hat den Menschen der Stadt die Kunsthalle geschenkt. Viele soziale und kulturelle Einrichtungen verdanken ihm und seiner Frau Maja Hilfe und Unterstützung. Aufhebens hat das Ehepaar nie darum gemacht. Besonders engagiert hat sich Rudolf August Oetker für ältere Mitbürger. Das größte Projekt war die Errichtung des Caroline Oetker Stiftes, das 1995 auf dem elterlichen Grundstück errichtet wurde.
Die Stadt Bielefeld hat es in der Vergangenheit ihrem Ehrenbürger nicht leicht gemacht. Der unwürdige Streit in den neunziger Jahren um den Namen der Kunsthalle, die Rudolf August Oetker seinem »zweiten Vater« Richard Kaselowsky widmete, hat ihn tief getroffen. Er zog sich zurück. »Ich bin sehr traurig darüber«, sagt er, »wir hätten noch eine Menge machen können. Aber nun ist es so wie es ist.«
Rudolf August Oetker ist ein bescheidener, in wohltuendem Sinne normaler Mensch geblieben. »Und ein sehr liebenswürdiger«, sagt Gisela Prante, die den Weg des Firmenseniors seit 1948 begleitet hat, in der Versuchsküche des Unternehmens, als Hauswirtschafterin im privaten Haushalt der Familie. Sie schätzt die Hilfsbereitschaft Oetkers, seine Ausgeglichenheit, seinen trockenen Humor. Und sie hat ihm oft sein Lieblingsgericht zubereitet: Bratkartoffeln.

Artikel vom 20.09.2006