21.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kinderschänder
siegt vor dem
Bundesgericht

BGH hebt Sicherungsverwahrung auf

Von Christian Althoff
Gütersloh (WB). Das Landgericht Bielefeld wollte weitere Taten eines Kinderschänders verhindern, als es Ingo B. (51) aus Gütersloh im Februar zu einer Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilte. Doch der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung jetzt aufgehoben.

Bauarbeiter Ingo B. ist ein Serientäter. Im Jahr 2000 hatte ihn das Amtsgericht Gütersloh wegen Kindesmissbrauchs zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte einem zehnjährigen Mädchen aus der Nachbarschaft einen Sexfilm gezeigt und das geschockte Kind aufgefordert: »Guck da hin!«
Zwei Jahre später verurteilte ihn dasselbe Gericht zu zehn Monaten Haft auf Bewährung, nachdem Ingo B. in Gütersloh auf einem Spielplatz zwei Mädchen angesprochen und sich vor ihnen befriedigt hatte.
Die dritte Verurteilung folgte 2004, als das Landgericht Bielefeld den Pädophilen für zwei Jahre und fünf Monate ins Gefängnis schickte. Ingo B. hatte eine fünf Jahre alte Nachbarstochter bei mehreren Gelegenheiten missbraucht.
Kurz nach dieser Verurteilung und noch vor seinem Haftantritt lernte Ingo W. eine alleinerziehende Mutter und deren zwölfjährige Tochter kennen und zog in die Wohnung der beiden. Als der arbeitslose Bauarbeiter eines Morgens mit dem Mädchen alleine war, ging er zu dem noch schlafenden Kind, weckte es und missbrauchte es. Dem Mädchen, das sich mit aller Kraft gewehrt hatte, drohte Ingo W. anschließend: »Ich bringe alle Menschen um, an denen dir was liegt, wenn du den Mund aufmachst!«
Tragisch: Diese letzte Tat hätte beinahe verhindert werden können, denn die Mutter des Mädchens hatte zuvor zufällig die Mutter jenes fünfjährigen Kindes kennengelernt, das Ingo W. bereits missbraucht hatte. Diese Frau warnte die alleinerziehende Frau vor ihrem neuen Lebensgefährten. Zur Rede gestellt, stritt dieser aber ab, jemals ein Kind angefasst zu haben. Die Lebensgefährtin wollte jedoch sicher sein und schrieb die Anwältin des fünfjährigen Opfers mit der Bitte um Zusendung einer Urteilskopie an. Tragischerweise war die Anwältin aber zu jener Zeit im Urlaub. Als die alleinerziehende Frau endlich das Urteil in Händen hielt, war ihr Kind bereits missbraucht worden.
Das Landgericht Bielefeld hatte Ingo W. schließlich im Januar zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Dabei verwiesen die Richter auf die bisherigen Verurteilungen sowie ein Sachverständigengutachten, demzufolge Ingo W. eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Außerdem habe er sich bislang nicht durch Strafen abschrecken lassen, denn die letzte Tat habe er nur sechs Wochen nach der dritten Verurteilung begangen.
Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe nun gekippt. In dem Beschluss heißt es, die Anordnung zur Sicherungsverwahrung (SV) habe keinen Bestand. Die für eine SV vorgeschrieben drei Straftaten lägen zwar vor, doch habe sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob in einem Fall eine Verjährung vorliege. Denn die 2004 verhandelte Tat sei bereits 1997 geschehen. Aus diesem Grund hat der BGH einen neuen Prozess angeordnet.
Strafverteidiger Dr. Knut Recksiek (Bielefeld), der die Revision beim BGH durchgesetzt hatte: »Die Sicherungsverwahrung ist ein sinnvolles Instrument, um die Gesellschaft vor Serientätern zu schützen. Da die SV allerdings ganz massiv in das Leben des Verurteilten eingreift, muss sich das Gericht auch ganz genau mit den Voraussetzungen befassen - und das ist hier unterblieben.«
Opferanwältin Gabriele Martens (Rheda-Wiedenbrück), die in dem Prozess das zwölfjährige Mädchen vertreten hatte, sagte gestern: »Ich denke, dass die formalen Fehler, die der BGH festgestellt hat, in einer erneuten Verhandlung beseitigt werden können. Die betroffene Familie und ich hoffen natürlich, dass das neue Urteil wieder eine Sicherungsverwahrung einschließt -Êdamit andere Kinder auf Dauer vor diesem Mann geschützt sind.« Az.: BGH 4StR 215/06

Artikel vom 21.09.2006