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»J.R.« ist heute
relativ normal

Larry Hagman wird 75 Jahre alt

Von Christoph Driessen
New York (dpa). Was auch immer er vorher und danach gemacht hat: Larry Hagman bleibt »J.R.«. Morgen feiert der »Fiesling« seinen 75. Geburtstag.
Ein Mann mit politischer Meinung: Larry Hagman.

»Dallas«, die erfolgreichste Fernsehserie der 80er Jahre, spielt heute in Washington. Schauplatz des Geschehens ist wieder ein weiß gestrichenes Anwesen, alles dreht sich um Geld, Macht und Öl, und ein skrupelloser Texaner geht über Leichen. So sieht es jedenfalls Larry Hagman, der mit seiner gemeinen Lache als »J.R.« TV-Geschichte schrieb wie sonst nur Kojak und Lassie.
Bis zu 13 Jahre haben die Ewings von der Southfork Ranch die Amerikaner und dann auch die Deutschen und noch 55 andere Nationen durchs Leben begleitet. Man kannte sich aus bei ihnen, man wusste, wo der Whisky stand, und bemerkte, wenn J.R. einen neuen Morgenmantel hatte. Und natürlich kannte man die weit verzweigte Familie. Da war Sue Ellen, deren Gesicht zwischen drei Ausdrücken wechselte: glücklich betrunken, unglücklich betrunken, stockbetrunken. Pamela, der auch beim vielen Weinen nie das Make-up verlief. Bobby, der verstarb und dann eine Staffel weiter doch wieder unter der Dusche stand (alles nur Traum).
Und natürlich J.R., der Bösewicht mit dem Bubigesicht. Obwohl, im Rückblick wirkt er ja geradezu harmlos. Es fängt damit an, dass heute jede Zahnarztpraxis über mehr Chrom verfügt als sein Chefbüro. Seine Geschäftspraktiken erschüttern nach dem Enron-Skandal auch niemanden mehr, und immerhin ließ J.R. für sein Öl noch nicht einmal Blut fließen - er zog es vor, seine Gegner wirtschaftlich zu ruinieren.
Die Ewings haben Fernsehgeschichte geschrieben. Aber die Welt hat sich geändert seit den überschaubaren 80er Jahren, als jeder Dienstagabend mit den Ewings zu Ende ging und es keinen größeren Bösewicht gab als J.R. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass es so viele Fanclubs und Wiederholungen gibt und jetzt sogar ein neuer Kinofilm mit John Travolta als J.R. gedreht werden soll. Ob das letzte allerdings eine gute Idee ist? »Dallas« im 21. Jahrhundert - das ist so anachronistisch wie Schulterpolster und Zauberwürfel.

Artikel vom 20.09.2006