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Lutterquelle: aufgeweckt und abgesperrt

Feuerwehr legt nach 16 Jahren Plattform frei - Umweltamt sichert Geländer - Bericht in BZV

Von Markus Poch (Text und Fotos)
Brackwede (WB). Aus einem 16-jährigen Dornröschenschlaf ist jetzt das Gelände um die größere der beiden Emslutterquellen geweckt worden. Allerdings war es kein sehnsüchtiger Prinz, der sich durch das Pflanzen-Dickicht zwischen Ostwestfalendamm und dem Stellwerk der Deutschen Bahn schlug, sondern die Freiwillige Feuerwehr Brackwede. In einer 90-minütigen »Hau-Ruck-Aktion« legten Löschabteilungsführer Uwe Prante und seine Helfer den Zugang frei. Die jüngeren Feuerwehrleute wussten überhaupt nicht, dass sich hinter dem Gestrüpp so etwas Besonderes wie eine Quelle befindet.

Das geht vermutlich vielen Brackwedern und Quellern ähnlich. Die kleinere Emslutterquelle, die hinter dem Mühlenteich (am Brackweder Freibad) entspringt, ist sicherlich bekannter. Doch die wichtigere der beiden, die in ferner Zukunft auch maßgeblich das geplante Naturbad speisen soll, ist die, die auf dem Bahngelände sprudelt - seit dem Sommer 1990 nahezu unbeachtet. Der ehemalige Brackweder Bezirksvorsteher Helmut Elges hatte sich in den 1980er Jahren dafür stark gemacht, dass diese Quelle trotz aller Baumaßnahmen an Straßen und Bahngleisen offen bleibt. Ihr sollte eine finstere Zukunft in Drainage-Systemen und Rohren erspart bleiben. Dieses Schicksal hatten zuvor fast alle übrigen Lutterquellen erlitten - vor allem die der Weserlutter, die der Mensch Richtung Innenstadt leitete, wo sie noch heute fließt.
Den Wünschen des inzwischen verstorbenen Kommunalpolitikers Elges wurde 1990 nicht 100-prozentig entsprochen, aber zu Teilen: Für 49 204,35 Mark ließ das Wasserschutzamt eine hölzerne Aussichtsplattform errichten, die über eine 21-stufige Betontreppe von der Straße »Zu den Lutterquellen« aus erreichbar wurde. Naturliebhaber sollten von dort das frische Wasser aus dem etwa drei Meter tiefer liegenden Erdreich sprudeln sehen. Mit 25 Prozent beteiligte sich das Landesstraßenbauamt an den Kosten, mit zehn Prozent die Bundesbahn.
16 Jahre später, im Sommer 2006, ist von der gesamten Baumaßnahme nichts mehr zu sehen. Als Feuerwehrchef Uwe Prante und sein Neffe, der Physiotherapeut Dirk Meißner, sich mit dem Fahrrad auf den Weg machen, die Quelle zu finden, stoßen sie auf besagtes Dornröschen-Dickicht. Beim Schweinemarkt beschließen sie, dem kleinen Urwald aus Schlingpflanzen und Brennnesseln mit Kettensägen, Scheren und Mistgabeln zu Leibe zu rücken.
Das ist inzwischen passiert. Dabei kam neben einem kleinen, Jahrzehnte alten Wegweiser und der Betontreppe auch die Plattform zum Vorschein. Leider hatten die massiven Eichenbalken, obwohl sie seit ihrer Verarbeitung kaum jemals betreten wurden, stark unter dem feuchten Klima in der Senke gelitten. Das Umweltamt ließ das Geländer gestern mit Baken absperren, um eventuelle neugierige Besucher vorzuwarnen.
Aber wie konnte es geschehen, dass die teure Konstruktion derart vergammelt? »Die Stadt Bielefeld hatte sich damals dazu verpflichtet, die Unterhaltskosten zu übernehmen«, sagt Hans-Werner Ohse, Abschnittsleiter »Oberflächenwasser« beim Umweltamt. »Weil die Lutterquellen aber kaum besucht wurden, ist in dieser Richtung nie etwas passiert.« Jetzt allerdings herrscht Handlungsbedarf: »Nach Auskunft eines Sachverständigen muss die Plattform mittelfristig saniert werden«, erklärt Ohse. »Oder man baut alles zurück und versperrt den Zugang komplett.« Das Procedere hänge vom Interesse an der Sache beziehungsweise von der Entscheidung der Brackweder Bezirksvertretung (BZV) ab. In deren nächster Sitzung im November will Ohse seinen aktuellen Bericht zum Thema »Lutterquellen« zur Sprache bringen.

Artikel vom 20.09.2006