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Musik von Pathos und Schmerz

Junge Sinfoniker mit anspruchsvollem Programm in der Oetkerhalle

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Mehr Orchestermusiker hätten auf der Bühne der Oetkerhalle kaum Platz gefunden. Mit 102 Mitgliedern präsentierten sich die Jungen Sinfoniker optisch ganz wie ein A-Orchester. Qualitativ brachte man es mit engagiertem Musiziergeist zu ansprechender Klanglichkeit.

Was keineswegs selbstverständlich ist bei den hohen Anforderungen, die der Werkekanon an die jungen Musiker und Musikerinnen stellte. Ein Nachweis, dass die Dozenten der 66. Arbeitsphase wieder einmal ganze Arbeit geleistet haben und dass Dirigent Bernd Wilden seine am Musikschulorchester erprobte musikpädagogische Kompetenz auf die Jungen Sinfoniker übertragen konnte.
Entsprechend pathetisch eröffnete das Orchester mit Richard Wagners Vorspiel zur Oper »Die Meistersinger zu Nürnberg«. Keine Spur mehr von den kleinen intonationstechnischen Unsicherheiten, die noch eine Woche zuvor beim Jubiläumskonzert der Oetkerhalle aufgefallen waren. Möglich, dass mit noch stärkerer dynamischer Differenzierung das Klangbild noch einmal an Tiefe und Transparenz gewonnen hätte.
Anders bei Alexander Glasunows Konzert für Altsaxophon und Streicher Es-Dur, wo das Orchester in gefühlvoll verwobenem Spiel den Klangteppich bereitete, auf dem sich das Soloinstrument entfalten konnte. Simon Hanrath als Solist schmeichelte dem Ohr mit samtig-warmem Ton und geschmeidiger Klangrundung ebenso wie er mit Weitblick die weite Struktur durchmaß.
Als zünftig folkloristisches Schmankerl folgte ein »Kleiner Csárdás« von Pedro Iturralde, wobei Hanrath scheinbar mühelos zigeunerische Geigenvirtuosität aufs Saxophon übertrug.
Die größte Begeisterung im Publikum indes erzielten die Jungen Sinfoniker mit der fünften Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch. Unter Drohungen erzwungener Jubel liegt dem 1937 uraufgeführten Werk zugrunde, war der Komponist doch zuvor mit seiner Oper »Lady Macbeth von Mzensk« bei den sowjetischen Machthabern in Ungnade gefallen. Viele vermuteten, Schostakowitsch habe mit seiner Fünften und ihrem klassisch orientierten Zuschnitt seinen Frieden erkaufen wollen. In Wirklichkeit erhob sich in seiner Musik sinnbildlich ein geschlagener, tief resignierter Mensch zur grotesken Maskerade.
Vieles von jener geheimnis- und schmerzvollen Stimmung konnten die Jungen Sinfoniker transportieren. Etwa im ironisierenden Marsch, in den vordergründig lyrischen Passagen der bemerkenswerten Soloflöte, der herrlich spöttelnden Klarinette und jenem zarten Trauergesang der tremolierenden Streicher. Der finale Aufschrei hätte peitschender, schmerzvoller kaum ausfallen können. Bei aller spieltechnischen Brillanz, die hier vornehmlich auch in den Bläsern zutage trat, kann darüber nachgedacht werden, ob man sich in Anbetracht der hervorragenden Hallenakustik dynamisch etwas mehr hätte zurückhalten können.

Artikel vom 19.09.2006