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Bundestag: Ja zu Nahost-Einsatz

Marineverband wird heute in Wilhelmshaven gen Libanon verabschiedet

Berlin (dpa). Nach der klaren Zustimmung im Bundestag läuft heute der erste bewaffnete Nahost-Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr an. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wird in Wilhelmshaven einen Marineverband mit 1000 Soldaten verabschieden, der vor der libanesischen Küste den Waffenschmuggel unterbinden soll.

Der Verband steht unter der Führung des Flottillenadmirals Andreas Krause. Entsandt werden die Fregatten »Mecklenburg-Vorpommern« und »Karlsruhe«, der Einsatztruppenversorger »Frankfurt am Main«, der Tender »Elbe« sowie vier Schnellboote.
Nach kontroverser Debatte votierten gestern 442 der 599 Abgeordneten aus Koalition und Teilen der Opposition im Bundestag für den deutschen Einsatz, der zunächst bis August 2007 begrenzt ist. 152 Parlamentarier stimmten mit Nein, 5 enthielten sich.
Bis auf die Linkspartei, die geschlossen ablehnte, gab es in allen anderen Fraktionen Abweichler. Bei der SPD votierten 32 Abgeordnete mit Nein, bei der Union 12. Bei den Grünen gab es sechs Nein-Stimmen. Bei der FDP stimmten 51 gegen und acht Abgeordnete für den Einsatz.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die Bundesregierung habe die Bedingungen für den deutschen Beitrag genau geprüft. Man sei zu dem Schluss gekommen: »Es dient deutschen Interessen«.
Die CDU-Vorsitzende bekräftigte, dass es um eine Entscheidung von »historischer Dimension« gehe. »Die Bundeswehr ist gewollt - und zwar von Israel und Libanon«, betonte sie. Sie teilte mit, dass Libanons Ministerpräsident Fuad Siniora kommende Woche nach Berlin kommt.
Merkel wies Vorhaltungen zurück, Deutschland gebe durch die Teilnahme die bisherige Neutralität auf. Seit 1949 sei die Bundesrepublik in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik nie neutral gewesen. »Wertegebundenheit ist das Gegenteil von Neutralität«, sagte sie. Nach ihren Worten kann die Mission aber nur der Anfang eines langen Weges sein, um zu einem umfassenden Frieden in der Region zu kommen. Gemeinsam mit den USA müssten die Europäer den Friedensprozess nun energisch wieder anschieben: »Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen.«
»Es ist nicht ehrenrührig, Zweifel an der Richtigkeit dieses Einsatzes zu haben«, begründete FDP-Chef Guido Westerwelle seine Ablehnung. Von deutschen Soldaten werde bei solchen Einsätzen strikte Neutralität verlangt.
Dies gelte auch gegenüber Israel. Angesichts der deutschen Geschichte sei dies aber unmöglich. Nicht auszuschließen seien auch Konfliktsituationen, in denen Israelis und Deutsche sich bewaffnete Auseinandersetzungen lieferten.
Nach Überzeugung von Linksfraktionschef Oskar Lafontaine wird die Koalition ihre Entscheidung noch bereuen. Er bekräftigte ausdrücklich seine Position, dass das Nahost-Engagement die Terrorgefahr für Deutschland erhöhe. Jürgen Trittin (Grüne) warf Lafontaine vor, er stehle sich aus der Verantwortung. Die meisten anderen linken Parteien in EU-Ländern befürworteten ausdrücklich die Libanon-Mission.
Merkel sprach sich auf mittlere Sicht für eine Erhöhung des Verteidigungsetats aus. Die derzeitige Höhe sei nicht ausreichend, sagte sie in einer Rede zum 50. Jubiläums des Bundeswehrverbands. Die militärischen Fähigkeiten müssten mit der politischen Verantwortung in Einklang gebracht werden. Konkrete Zahlen nannte sie nicht.
Jung erwartet einen Libanon-Einsatz der Marine über August 2007 hinaus. Dass dafür mehr Zeit nötig sei, müsse einkalkuliert werden, sagte er in der ARD. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warb für eine Wiederbelebung des Nahost-Quartetts (UN, EU, Russland, USA). Er habe den Eindruck gewonnen, dass es dafür zunehmend Bereitschaft gebe, sagte er am Rande der UN-Vollversammlung in New York. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 21.09.2006