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Koalitions-Poker eröffnet

SPD lässt Landesverbänden freie Hand -ÊMerkel hält Kurs

Berlin/Schwerin (dpa). Einen Tag nach den Landtagswahlen ist gestern in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern der Koalitionspoker eröffnet worden. Die Bundes-SPD werde den Landesverbänden bei der Partnersuche freie Hand lassen, sagte Parteichef Kurt Beck.
»Es kann einer Partei nichts besseres passieren, als zwischen zwei Partnern wählen zu können«, sagte Beck. Die Berliner SPD will zunächst mit der Linkspartei, anschließend mit den Grünen Sondierungsgespräche führen. Nach etwa 14 Tagen will die SPD über ihren Koalitionspartner entscheiden.
Nach dem wegen Auszählungspannen in einem der zwölf Berliner Bezirke erst gestern vorliegenden vorläufigen Endergebnis wird sich die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von 44 auf 53 Abgeordnete vergrößern. Grüne und Linkspartei ziehen mit je 23 Abgeordneten ein. Damit hätten sowohl Rot-Rot als auch Rot-Grün nur eine Ein-Stimmen-Mehrheit - jeweils 76 Mandate.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lehnte eine Drei-Parteien-Regierung trotz dieser knappen Mehrheit ab. »Man sollte eine Dreierkonstellation, wenn es nicht notwendig ist, vermeiden«, sagte Wowereit. »Es würde sehr kompliziert werden. Dreierbündnisse sind in Deutschland nicht sehr geübt.« Denn dann müssten die kleineren Partner immer versuchen, sich zu profilieren. Knappe Mehrheiten seien nicht so unsicher wie gedacht, sagte Wowereit. Auch die Grünen-Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig lehnte ein rot-rot-grünes Dreierbündnis ab und bekräftigte den Anspruch auf Regierungsbeteiligung. In Schwerin will die SPD sowohl mit der CDU als auch mit ihrem bisherigen Regierungspartner, der Ex-PDS, sprechen.
Zugleich wies der SPD-Parteichef Forderungen von SPD-Vize Jens Bullerjahn aus Sachsen-Anhalt zurück, er solle schon jetzt seine Bereitschaft für die nächste SPD-Kanzlerkandidatur bekunden. Es bleibe dabei, dass diese Frage erst 2008 entschieden werde, betonte Beck.
Der SPD-Vorsitzende begrüßte, dass sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) künftig stärker auch in der Bundespolitik engagieren wolle. Wie das geschehen solle, stehe aber noch nicht fest. Beck wies darauf hin, dass die nächsten regulären SPD-Vorstandswahlen erst Ende 2007 anstünden.
CDU-Chefin Angela Merkel sagte, die Partei stehe für eine schwarz-rote Koalition in Schwerin bereit. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hatte zuvor eingeräumt: »Wir haben in der Tat unser Wahlziel nicht erreicht.«
Forderungen nach Korrekturen an der Politik der großen Koalition wies Merkel jedoch zurück: »Es gibt für mich keine Alternative.« Mit Blick auf die umstrittene Gesundheitsreform versuchte sie indirekt die Unions-Ministerpräsidenten zu disziplinieren: Die Arbeiten an der Reform sollten zielstrebig vorangebracht werden - eine Einschaltung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat halte sie auch für möglich. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) verlangte als Konsequenz aus den Wahlergebnissen eine stärkere soziale Ausrichtung der Partei. Themen der Zeit

Artikel vom 19.09.2006