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Gegenwind aus Berlin

Rot-Rot in Berlin und Schwerin sind die Wahlverlierer

Mannheim/Berlin(dpa).
Aus den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sind die einzigen rot-roten Regierungen geschwächt hervorgegangen.
Abgebaut: Der Wahlkampf ist gelaufen, eine klare Entscheidung hat der Wähler nicht getroffen.

In der Hauptstadt musste die Linkspartei, im Nordosten die SPD hohe Verluste hinnehmen. Doch die CDU als jeweils größte Oppositionspartei konnte davon nicht profitieren. In beiden Ländern fiel sie auf ihr jeweils schlechtestes Ergebnis. In Berlin sind die Grünen sowie die kleinen Parteien der Analyse der Forschungsgruppe Wahlen (Mannheim) zufolge die Gewinner.
Die Linkspartei verbuchte allein im Osten Berlins ein Minus von 20 Prozentpunkten, in der gesamten Stadt blieb sie nur knapp drittstärkste Kraft vor den Grünen. In Schwerin zog die FDP nach zwölf Jahren mit starken Zuwächsen wieder in den Landtag ein.
Das Berliner Ergebnis hat seine zentralen Ursachen in der Stadt selbst: Bei der Entscheidung war für 65 Prozent der Befragten das Land Berlin, nur für 29 Prozent die Bundespolitik wichtiger.
In Mecklenburg-Vorpommern resultierten die Verluste der SPD zum einen aus dem fehlenden bundespolitischen Rückenwind, der 2002 parallel zur Bundestagswahl für die Sozialdemokraten ein Ausnahmeergebnis brachte. Neben Parteiansehen und Sachpolitik hieß in Berlin der größte Trumpf der Sozialdemokraten Klaus Wowereit: 61 Prozent der Befragten wollten ihn, aber nur 21 Prozent Pflüger als Regierenden Bürgermeister für ihre Stadt. In Mecklenburg-Vorpommern waren 48 Prozent für den Ministerpräsidenten Harald Ringstorff (SPD), 31 Prozent für den Herausforderer Jürgen Seidel (CDU).
Die größten Zugewinne konnte die SPD in der Hauptstadt bei den unter 30-Jährigen verzeichnen (plus 6), hier kam sie auf 33 Prozent. Bei der CDU gab es dagegen ein ganz erhebliches Altersgefälle: Nur bei den über 60-Jährigen erreichten die Christdemokraten mit 32 Prozent ein weit überdurchschnittliches Ergebnis.
Besonders heftig waren die Verluste der nordöstlichen SPD in den mittleren Altersgruppen (30- bis 44-Jährige: minus 16 Prozentpunkte; 45- bis 59-Jährige: minus 14). War die SPD 2002 noch durchgehend stärkste Partei, so fiel sie jetzt in den mittleren Altersgruppen hinter die CDU zurück. Die NPD hatte nach gewohntem Muster bei den unter 30-Jährigen mit 17 Prozent ihr altersspezifisch bestes Ergebnis.
Auch wenn es in beiden Ländern primär um Landespolitik ging, hat die große Koalition die politischen Rahmenbedingungen für CDU und SPD vorgegeben, glaubt die Forschungsgruppe. Wegen der Zusammenarbeit im Bund können die beiden Volksparteien kaum polarisierende Wahlkämpfe führen. Gleichzeitig haben die Parteien der großen Koalition Schwierigkeiten, ihre eigenen Wählerschaften von der Richtigkeit ihrer Kompromisse zu überzeugen.

Artikel vom 19.09.2006