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Zeitzeugen, bitte melden!

Luisenschüler bereiten große Ausstellung für 2009 vor

Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Die meisten ihrer Jahrgangskameraden haben sich für Hauswirtschaft oder Sport entschieden - sollen die ruhig Hefeteig rühren und Medizinbälle werfen. Acht hochmotivierte Junghistoriker hingegen haben gezielt und in Ruhe ein Superprojekt gestartet: einen Bilderbogen zum 100-jährigen Geburtstag der Luisenschule.

»Forschendes Lernen« heißt das moderne pädagogische Konzept, das vom Interessenkiller namens Frontalunterricht etwa so weit entfernt ist wie das Jahr 2006 vom Perserkiller Alexander. Im Wahlpflichtfach Geschichte ödet der Referendar Maik Paulini nun keinen mehr mit Daten und Schlachtennamen an (»333 - Issus-Keilerei«), sondern wirkt als »Moderator und Befähiger«: Die Neunt- und Zehntklässler brechen aus den starren Vorgaben des Stundenplans aus und sammeln historisches Wissen auch außerhalb der Schule.
Gerade erst waren sie im Stadtarchiv, das viel zu selten von Realschülern aufgesucht wird. Bis 16 Uhr (bis lange nach dem letzten Schulgong also) ließen sie sich von dem für Archivpädagogik und geschichtliche Bildungsarbeit zuständigen Historiker Bernd Wagner die Schätze des Hauses an der Rohrteichstraße zeigen. Ein Griff ins Regal - und sie staunten über eine Zeugnisliste aus den 50ern. Dann leises Gekicher: Luisenschullehrer auf einem Foto aus dem Kaiserreich.
»Die Rede zur Eröffnung der Luisenschule im Jahr 1909 haben wir schon analysiert«, sagt die 15-jährige Vera. Jetzt wollen die Jugendlichen mehr wissen, damit die geplante große Ausstellung zur 100-Jahr-Feier ein Hingucker wird. Wie hat das Schulgebäude früher ausgesehen? Lässt sich die Zerstörung des 30. Septembers 1944, als die Bomben fielen, noch nachzeichnen? Was erzählen Zeitzeugen, was die Ehemaligen?
Und woher hat die Schule ihren Namen? »Na, von der preußischen Königin Luise«, referiert Anna (16), die die geschichtlichen Epochen ganz gut überblickt, auch wenn sie, wie im Fall der unglücklichen Luise ein Jahrhundert vor der Einweihung der Bielefelder Realschule liegen.
»Die Jugendlichen können geschichtliche Inhalte besser erfassen, wenn sie sie anhand von Quellen aus dem eigenen Umfeld erarbeiten«, versichert Lehrer, pardon: Befähiger Maik Paulini. Der 28-Jährige, laut Auskunft der Gruppe ein »spitzenmäßiger Pädagoge«, ermuntert die Jugendlichen zu weitgehend freier Arbeit.
Die Weimarer Republik ist nicht dran, wenn jemand mit dem Zeigestock auf die Zahl 1919 tippt, sondern wenn der Zeitzeuge von ihr erzählt, im Zweifelsfall nachmittags im Seniorenheim. Oral History nennt das der Profi.
Und ob's an der eigenen Penne mal Aufmupf à la 1968 gab, steht in keinem 08/15-Geschichtsbuch, sondern, wenn überhaupt irgendwo, dann auf der Filmrolle. Auf der nämlich hat das Stadtarchiv alte Zeitungsberichte gespeichert.
»Es wirkt immer armselig, wenn sich Schulen zum Jubiläum eine Chronik aus fremder Feder schreiben lassen«, findet Paulini. Eine Chronik ist auch gar nicht sein Ziel - eher ein Kaleidoskop der Bilder und Informationen. Die Zehntklässler, die 2007 abgehen, müssen in einem Jahr ihr jeweiliges Teilprojekt beendet haben. Die Neuntklässler haben zwei Jahre Zeit, und wer von den jüngeren Jahrgängen hinzustößt, ist willkommen. Vor allem aber werden noch Zeitzeugen gesucht
Auf die große Präsentation 2009 dürften nicht nur Luisenschüler, Luisenlehrer und Luisenehemalige gespannt sein . . .

Artikel vom 21.09.2006