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Ein Oktoberfest im September

Artur Wichniarek beendet seine Torflaute - Arminia besiegt die Bayern

Von Hans Peter Tipp
Bielefeld (WB). Die »Wiesn« wurden am Samstag in München eröffnet, doch das wahre Oktoberfest ging zur gleichen Zeit in der SchücoArena ab. Fußball-Bundesligist Arminia Bielefeld besiegte dort den FC Bayern München nach Toren von Artur Wichniarek (25.) und Jonas Kamper (84.) bei einem Gegentreffer von Mark van Bommel (6.) mit 2:1 (1:1).

»Endlich ein Fußballfest. Und Bayern ist auch wieder dabei«, sagte Felix Magath und griff nach einem kaum für möglich gehaltenen Spielverlauf zur Selbstironie. Doch der stets sachlich analysierende Bayern-Trainer sprach den Gastgebern ehrliche Glückwünsche aus: »Aufgrund der kämpferischen Leistung war der Sieg der Bielefelder nicht unverdient.«
Draußen wollte derweil der Jubel gar kein Ende nehmen. Die Bielefelder Fans und die Spieler berauschten sich nicht nur am sensationellen Erfolg gegen den deutschen Rekordmeister. Sie feierten auch den ersten Saisonerfolg einer Mannschaft, die zuletzt neun von zehn Pflichtpartien verloren und dieses Mal aus dem bisherigen Fluch einen Segen gemacht hatte: Arminia nutzte zwei Standardsituationen zu den entscheidenden Toren. »Meine Spieler waren nach dem Pokal-Spiel in Pfullendorf verunsichert, und dann kam auch noch die frühe Führung der Bayern hinzu. Damit mussten sie erst einmal mental umgehen. Wir haben aber alles in die Waagschale geworfen, um zu gewinnen: Leidenschaft, Kampf, das tolle Publikum und natürlich Glück«, stellte Thomas von Heesen zu Recht fest, denn für die von Minute zu Minute matter agierenden Bayern trafen Roque Santa Cruz (24.) und Claudio Pizarro (59.) den Pfosten. Zudem köpfte Verteidiger Marcio Borges (64.) einen Ball in höchster Not von der Torlinie. Der Brasilianer schied später mit Verdacht auf Riss des Innenbandes aus. Ihm droht eine längere Pause. Eine exakte Diagnose erwartet Arminia von der heutigen Kernspintomographie. Von alledem und einer Eckballstatistik von 1:14 ließ von Heesen nicht beirren: »Ich glaube immer daran, was diese Mannschaft kann,Êegal ob in Pfullendorf oder gegen die Bayern.«
Dieses Mal zahlten seine Spieler dem Trainer diesen Vertrauensvorschuss zurück, allen voran Heiko Westermann (als Abwehrriese), Jörg Böhme (mit Kämpferherz), Jonas Kamper und Artur Wichniarek - letztere mit Toren. Der Pole traf erstmals seit dem 6. August 2005 wieder, nach Bielefeld war er im Winter 05/06 zurückgekehrt.
Nach seinem erfolgreichen Kopfball stürmte Wichniarek wie von Sinnen Richtung Haupttribüne, riss das Trikot bis zu den Brustwarzen hoch und vollzog mit dem rechten Bein einen wuchtigen Tritt in die Luft. Seine Gefühle - Glück und offenbar auch viel Frust -Êschrie er dabei laut heraus. Hinterher gab er sich wesentlich sachlicher und zugeknöpfter: »Ein toller Tag, ich bin sehr glücklich.«
»Ich habe ihn in der Vergangenheit zu Recht kritisiert, weil ich von ihm einfach mehr verlange. Heute hat er es gezeigt«, sagte Thomas von Heesen. Für die Zuschauer war »König Artur« ohnehin nie weg: Selbst als der Stürmer später im Spiel freistehend die größte Chance auf den Führungstreffer (75.) vergab oder mal wieder das Zuspiel zum fünf Meter entfernten Nebenmann misslang, hallten »Artur, Artur«-Rufe durch das Stadion. Eine willkommene Aufbauhilfe, die schon bald die ganze Unsicherheit des ehemals Torlosen vertreiben könnte.

Artikel vom 18.09.2006