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»Topmodel« bekam eine neue Hüfte

Thea Gerits (70) aus Holland glücklich über OP im Städtischen Klinikum

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Ein Remis im Fußball gilt in Holland wie in Deutschland als Niederlage. Im medizinischen Bereich ist das anders: Über das Abkommen, holländische Patienten in Bielefeld zu operieren und nach Lippe zur Reha zu schicken, sind beide Seiten hocherfreut - eine klassische Win-Win-Situation.

»Ich bin hier behandelt worden wie ein Topmodel«, scherzt die bestens gelaunte Thea Gerits. Die 70-Jährige aus Castricum, einem Badeort nordwestlich von Amsterdam, ist die erste Patientin, die von dem grenzübergreifenden Vertrag profitiert, demzufolge sich künftig Holländer in Bielefelds Städtischen Kliniken ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk einsetzen lassen können, bevor sie zur Reha fährt. »Die führt mich nach Bad Oeynhausen«, sagt Thea Gerits, die sich, genau wie ihr Mann Bernard (78), schon auf Ausflüge ins herbstliche Lipperland freut.
Wie das WESTFALEN-BLATT berichtete, bietet Hollands größte Krankenkasse VGZ (gemeinsam mit der angeschlossenen IZA) ihren Versicherten neuerdings ein »Rundum-Sorglos-Paket« (Fachjargon: »Integrierte Versorgung«) an. »Frisch Operierte werden bei uns nach wenigen Tagen entlassen und müssen - nicht selten in Pflegeheimen - zusehen, wie sie mit Gymnastik wieder laufen lernen«, berichtete am Freitag Huug Lennaerts vom Qualitätsmanagement der VGZ. Den jährlich knapp 800 Patienten, die allein bei der VGZ einen solchen Eingriff beantragen, müssen Bielefeld, Lippe und der Kreis Minden-Lübbecke wie das Paradies erscheinen.
Nach der zweiwöchigen OP-Phase am Teuto nämlich werden die Genesenden von zwei »Median«-Kliniken zur Reha übernommen: Thea Gerits und eine zweite Holländerin, deren OP in wenigen Tagen erfolgt, in Bad Oeynhausen, die nächsten beiden dann in Bad Salzuflen. »Die Einrichtungen sind nur zu 80 Prozent ausgelastet, weswegen uns die Kranken aus dem Nachbarland willkommen sind«, sagte »Median«-Verwaltungsdirektor Stephan Dransfeld.
Bielefeld ergreift mit dem Abkommen die Gelegenheit beim Schopf, über das von den Krankenkassen gedeckelte Budget hinaus neue Einkommensquellen zu erschließen. Den Gästen aus dem Westen wird ihr Aufenthalt leicht gemacht: »In den beiden ÝMedianÜ-Einrichtungen wie auch bei uns steht holländisch sprechendes Personal zur Verfügung«, verspricht Bielefelds Klinik-Geschäftsführer Dr. Johannes Kramer. Auf Wunsch werden die Patienten sogar von zu Hause abgeholt.
Jenseits der Grenze kann die VGZ/IZA (4,2 Millionen Versicherte) jetzt mit dem Angebot Reklame machen. 30 Anfragen liegen bereits vor, und wenn im November die Hauspostille der VGZ die frohe Nachricht verkündet, wird merklicher Zulauf erwartet. Glückliche Gesichter auch in OWL: »Sobald die Nachfrage steigt, stellen wir zusätzliches Personal ein und erweitern die Kapazitäten«, kündigten Kramer und Dransfeld unisono an.
Soviel Leistung hat ihren Preis: »Das Paket kostet 12 000 bis 14 000 Euro«, sagt Bielefelds Cheforthopäde Prof. Ludger Bernd. »Die Holländer nehmen aber keinem deutschen Patienten einen Klinik- oder Reha-Platz weg.«
Sogar an die Unterbringung von Begleitpersonen hat man gedacht: »Ich wohne in Bielefeld in einem schicken Appartement im benachbarten Personalwohnheim«, erzählt Bernard Gerits. In Oeynhausen wird er direkt in der »Median«-Weserklinik unterkommen.

Artikel vom 16.09.2006