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»Das Schicksal Konstantinopels ist bekannt. Vielleicht wollte Benedikt XVI indirekt auch darauf hinweisen.«

Leitartikel
Papst-Rede

Empörung,
Gewalt,
Glaube


Von Jürgen Liminski
Sie haben die Empörungsmaschine wieder angeworfen. Wie üblich, wenn Emotionen aufgeputscht werden sollen, werden Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen, in einen anderen Kontext gestellt und mit Unterstellungen vermengt. Genau das passiert mit den Worten des Papstes zum Islam. Der hatte aus einem mittelalterlichen Dialog mit dem byzantinischen Kaiser Manuel II. zitiert, dessen Worte über den Islam und den Gründer dieser religiösen Ideologie, den Kaufmann und Feldherrn Mohammed, sogar als »erstaunlich schroff« bezeichnet. Der Dialog diente als Einstieg in eine großartige Vorlesung über Glaube, Vernunft und Wissenschaft.
Daraus interpretieren die islamischen Empörungsmaschinisten und ihre nützlichen Helfer in der säkularisierten Gesellschaft eine feindliche Haltung des Papstes gegenüber dem Islam und eine Beleidigung des »Propheten«.
Das wirkliche Problem aber ist nicht der Islam. Wer mit Islamisten zu tun hat, kann eigentlich kaum etwas anderes erwarten. Das eigentlich Problem sind die Christen selbst. Der Schriftsteller Georges Bernanos (1888 - 1948) hat das in seinem »Tagebuch eines Landpfarrers« einmal so ausgedrückt: Das größte Unglück, der größte Jammer unserer Zeit ist nicht der gottlose Mensch, sondern die Mittelmäßigkeit der Christen.
Dieses Mittelmaß ist die Elle der Mutlosigkeit und der Feigheit. Man steht nicht mehr ein für seinen Glauben, seine Geschichte, seine Kultur. Dabei gehört eben zu dieser Kultur der Logos, wie der Papst in Regensburg ausführte, der Primat der Vernunft. Der bis zum Fanatismus übersteigerte Eifer für einen Glauben ist mit dem Logos nicht kompatibel. Die Vernunft geht vom Frieden aus und führt zu ihm. Das Christentum hat seine fanatischen Ausschläge und Verirrungen (Kreuzzüge, Zwangsbekehrungen, Inquisition) geschichtlich überwunden, weil es die Botschaft Christi im historischen Kontext mit der Kraft der Vernunft interpretierte, so sich der Gewalt als Kategorie christlichen Lebens entledigte.
Im Islam ist der Schritt zur Historisierung von Koran und Prophet nicht vollzogen und es ist zweifelhaft, ob er vollzogen werden kann. Nach Meinung fast aller Gelehrten des Islam darf der Koran nicht interpretiert und der Prophet nicht eingeordnet, am besten überhaupt nicht genannt werden. Wir werden mit diesem Islam also noch lange leben müssen.
Was die Türken angeht: Sie suchen einen Grund, den Papst wieder auszuladen, weil sie von seinem Besuch eine Aufwertung der Christen in der Türkei befürchten. Und was den unglücklichen Kaiser Manuel aus Konstantinopel angeht: Er suchte um 1400 in Westeuropa verzweifelt nach Christen, die ihm gegen die Umklammerung durch die Muslime helfen könnten. Aber seine Glaubensbrüder ließen ihn feige im Stich.
Das Schicksal Konstantinopels ist bekannt. Vielleicht wollte Benedikt XVI indirekt auch darauf hinweisen.

Artikel vom 18.09.2006