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Standort im Wandel
braucht ganze Kraft

IHK: Konjunktur und Klima in Bielefeld stark verbessert

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). »Wir haben keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Die Politik ist vielmehr gefordert, konsequent nachzulegen«, sagt der scheidende IHK-Präsident Herbert Sommer nicht nur in Richtung Land und Bund, sondern auch in Richtung Kommune. Die gegenwärtig brummende Konjunktur dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Akquisition und Bestandspflege viel zu tun ist, mahnt Sommer.

Die aktuelle Konjunktur-Umfrage der IHK, freut sich Sommer, ergab die besten Werte seiner gesamten Amtszeit. Dem gefühlten Optimismus sind inzwischen auch handfeste Zahlen gefolgt. Jeder zweite Befragte sieht die Geschäftslage als gut an, der IHK-Indikator hat eine beachtliche Steigerung auf 130 erreicht. Die Konjunktur brummt, sagt die Statistik. Gleichzeitig werden in den Erwartungen aber auch vorsichtige Abschwächungen spürbar: Mehrwertsteuererhöhung, unentschlossene Bundes- und Landespolitik mit wenigen zu erwartenden wirklichen Entlastungen drücken auf die Prognosen, erklären Sommer und Hauptgeschäftsführer Thomas Niehoff.
Die Situation im Oberzentrum, weiterhin vom exportstarken Maschinenbau dominiert, hat sich dennoch in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Der Verlust von Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe hielt an; auch 2005 gingen wieder 2000 Stellen verloren. Die massiven Verluste der vergangenen Jahre in Textil- und Metallindustrie konnten bis heute nicht kompensiert werden.
In der Exportquote ist Bielefeld (34,7 Prozent) vom Thron gekippt, von den Kreisen Paderborn (35,6) und Gütersloh (32,5) mit zweistelligen Zuwächsen eingeholt worden. Der neue Spitzenplatz Bielefelds als Dienstleistungszentrum kann allerdings, wie Sommer versichert, nicht wirklich befriedigen. Zu viel ertragsstarkes produzierendes Gewerbe ist an das Ausland oder das Umland verloren gegangen. Sommer: »Versäumnisse der achtziger und neunziger Jahre, schlechte Flächenpolitik bei gleichzeitig restriktiven Umweltauflagen innerhalb der Stadt zeigen jetzt Wirkung.« Einmal abgewanderte Firmen holt man schwerlich aus Asemissen, Steinhagen oder Schloß Holte zurück. Sommer: »Und die Hoffnung auf einen amerikanischen Boss mit 3000 Arbeitsplätzen und einer neuen Fabrik in Bielefeld ist ziemlich unwahrscheinlich.« Um so mehr müsse die Stadt in ihrer Wirtschaftspolitik konsequent am Ball sein und intensive Bestandspflege betreiben.
Bemerkenswert ist in Bielefeld, dass die Dominanz des Maschinenbaus weiter zunimmt. Er macht inzwischen 60 Prozent des gesamten industriellen Exports aus. Der Maschinenbau wuchs beim Personal um 2,6 Prozent, beim Umsatz um 8,5 und beim Exort sogar um 17. Die Gesamtbeschäftigung (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte) sank 2005, abgefedert durch Handel und Dienstleistung, nur noch um 0,2 Prozent auf 124 476 - das produzierende Gewerbe ließ aber weiter Federn.
Für die nächste Zeit prognostiziert die IHK für Bielefelds Industrie Optimismus. Immerhin 45 Prozent der Unternehmer bewerten ihre Lage als gut, 67 Prozent erwarten gleichbleibende Zahlen. Im Export rechnen sogar 56 Prozent der Firmen mit Wachstum. Die Auslastung ist gut, die Ertragslage hat sich leicht verbessert. Und weil mit 29 Prozent erstmals doppelt so viele Unternehmer Personal einstellen statt abbauen wollen, sieht Thomas Niehoff eine reale Chance, dass die Zahl der Industriearbeitnehmer erstmals wieder steigen könnte.

Artikel vom 16.09.2006