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Papst soll sich entschuldigen

Moslems in aller Welt üben harte Kritik an Islam-Äußerungen Benedikts

Kairo/Berlin    (Reuters/
dpa). Die moslemische Welt hat am Freitag ihre Kritik an Äußerungen von Papst Benedikt XVI.
über den Islam verschärft und eine Entschuldigung des Oberhauptes der römisch-katholischen Christen gefordert.


Von der Türkei über Ägypten, den Iran und Pakistan bis Indonesien meldeten sich politische und religiöse Vertreter zu Wort. Bei den Freitagsgebeten riefen Geistliche die Gläubigen zu einer Reaktion auf. Erst im Frühjahr hatte eine moslemische Protestwelle gegen europäische Mohammed-Karikaturen eine Krise in den beidseitigen Beziehungen ausgelöst.
Auch in Deutschland entwickelte sich wegen der Papst-Äußerungen ein Streit über das Verhältnis der Religionen. Der Zentralrat der Muslime forderte den Vatikan auf, die umstrittenen Aussagen über den Islam und Gewalt klar zu stellen. »Ein bisschen Zurückrudern reicht nicht«, sagte der Generalsekretär des Verbands, Aiman Mazyek. Die Grünen warfen dem Papst vor, mit seinen einseitigen, »merkwürdig geschichtsblinden« Aussagen das Christentum über andere Religionen zu stellen. Die Islam-Beauftragte der SPD-Fraktion, Lale Akgün, warnte ihrerseits die Kritiker des Papstes davor, Missverständnisse zu konstruieren und damit eine neue Polarisierung zwischen den Religionen zu fördern. Mehrere Unions-Politiker nahmen den Papst gegen die Kritik in Schutz und nannten die Vorwürfe unannehmbar.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hartmut Koschyk, betonte, der Papst habe in Regensburg ausschließlich den theologisch-intellektuellen Austausch thematisiert. »Hier feindselige Motive zu vermuten, ist nicht hinnehmbar.«
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: »Wer den Papst kritisiert, verkennt die Intention seiner Rede. Sie ist eine Einladung zum Dialog der Religionen, und der Papst hat sich ausdrücklich für diesen Dialog eingesetzt, den auch ich für dringend notwendig halte.« Was Benedikt XVI. deutlich mache, sei »eine entschiedene Absage an jegliche Anwendung von Gewalt im Namen der Religion«.
Benedikt XVI. hatte sich am Dienstag während seines Deutschlandbesuchs in einer Vorlesung an der Universität Regensburg mit dem Verhältnis von Religion und Gewalt beschäftigt und war dabei auf den Heiligen Krieg des Islams eingegangen. In diesem Zusammenhang zitierte er einen christlich-byzantinischen Kaiser aus dem 14. Jahrhundert mit einer scharfen Kritik an der Aufforderung des Islams, der Glaube solle mit dem Schwert verbreitet werden. Sprecher des Vatikans erklärten inzwischen, der Papst habe weder detaillierte Aussagen zum Heiligen Krieg machen noch die Gefühle der moslemischen Gläubigen verletzen wollen.
»Wir fordern, dass er sich persönlich und nicht durch irgendwelche Sprecher bei allen Moslems für solch ein falsches Verständnis entschuldigt«, sagte einer der wichtigsten schiitischen Geistlichen, der in Beirut ansässige Sajjed Mohammed Hussein Fadlallah. Zugleich betonte er aber die Bedeutung des christlich-islamischen Dialogs und die Bemühungen um eine Verständigung zwischen den Religionen, die nach dem Karikaturenstreit neue Impulse erhalten hatten. »Während wir diese Aussagen mit allem Nachdruck verurteilen und zurückweisen, rufen wir zugleich zu moslemisch-christlichen Beziehungen auf, in denen Verständnis für die gegenseitigen Standpunkte geübt werden«, sagte Fadlallah. Die Moslembruderschaft forderte die Regierungen der islamischen Staaten auf, die Beziehungen zum Vatikan abzubrechen, wenn sich der Papst nicht entschuldige. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 16.09.2006