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Hamas-Sprecher
Abu Suhri

Eine Anerkennung Israels bedeutet die Anerkennung der Besatzung.

Leitartikel
Palästina-Konflikt

Hat Politik wieder eine
Chance?


Von Friedhelm Peiter
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat nach Beendigung des Libanon-Krieges seine Entschlossenheit bekundet, zusammen mit der EU, den UN, den USA und Russland erneut das Kernproblem des Nahost-Konflikts anzugehen: das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern.
Dafür scheinen die Chancen jetzt wieder besser zu stehen, denn die radikal-islamische Hamas-Regierung in den Palästinensergebieten, die sich die Vernichtung des Staates Israel auf die Fahnen geschrieben hat, ist am Ende ihrer politischen Handlungsfähigkeit angelangt.
Seit dem Amtsantritt der Hamas-Regierung haben nahezu alle Geberländer ihre Entwicklungshilfe eingestellt. Mit 800 Millionen Dollar machten sie fast 70 Prozent der palästinensischen Staatseinnahmen aus. Seit März haben die meisten der 140 000 Staatsangestellten keinen Lohn mehr erhalten. Die von Hamas erhoffte Hilfe der arabischen Staaten blieb aus.
Die Wirtschaft steht vor dem Zusammenbruch. Nach UN-Schätzungen dürfte das jährliche Pro-Kopf-Einkommen im kommenden Jahr mit 940 Euro auf den tiefsten Stand einer ganzen Generation sinken.
Zunehmende Streiks setzten die Hamas-Regierung letztlich derart unter Druck, dass sie jetzt einer Regierung der Nationalen Einheit mit der Fatah-Bewegung des Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas zustimmten, um aus der internationalen Isolation herauszukommen.
Abbas steckt allerdings in einem Dilemma. Er möchte eine Politik durchsetzen, die das Existenzrecht Israels anerkennt, der Gewalt abschwört und eine gerechte Zwei-Staaten-Lösung anstrebt und das gegen die Israel-feindliche Mehrheit der Hamas im Parlament. Ob er einen Weg finden wird, die neue Regierung international wieder handlungsfähig zu machen, ist offen.
Die Position der Israelis und der Amerikaner ist eindeutig. Vor möglichen neuen Verhandlungen über eine Friedenslösung müsse Abbas verbindlich erklären, ob das neue Kabinett nach seinen Regeln geführt wird oder ob der Kurs der Hamas-Extremisten weiter gilt.
Auch die Israelis werden nach dem Libanon-Krieg ihre Positionen überdenken müssen. Wenn sie die Region befrieden wollen, muss in Zukunft ein lebensfähiger Palästinenser-Staat ganz oben auf ihrer Prioritäten-Liste stehen. Das heißt: kein Gesprenksel mehr von nicht zusammenhängenden Palästinensergebieten, keine großen israelischen Siedlungsgebiete, die einen Großteil des knappen Wassers verbrauchen und mehr Arbeitsmöglichkeiten für die Palästinenser in Israel, die ihren Lebensunterhalt im eigenen Land nicht verdienen können.
Angriffe von Extremisten wird Israel damit nicht verhindern können, aber sie könnten so dabei mitwirken, dass ganze Generationen von Israel-Hassern nachwachsen. Mehr als 70 Prozent der Palästinenser wollen Frieden mit Israel, wenn sie in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft leben können.

Artikel vom 16.09.2006