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Ein wechselvolles Leben für die Kirche

Pastorin Ilse Tornscheidt feiert ihr 50-jähriges Ordinationsjubiläum in Eckardtsheim

Von Nadine Kaminski
und Markus Poch (Foto)
Eckardtsheim (WB). Ein steiniger Weg lag bereits hinter Ilse Tornscheidt, als sie zum ersten Mal von einer Kanzel sprach. Denn der Beruf des Pastors war damals nahezu ausschließlich Männern vorbehalten. Trotzdem ließ sich die heute 81-Jährige ihren Lebenstraum nicht nehmen. Der Erfolg gibt ihr Recht: An diesem Sonntag feiert sie in der Lukaskapelle in Eckardtsheim ihr 50-jähriges Ordinationsjubiläum.

In der dortigen Gemeinde war sie von 1966 bis 1989 tätig. »Es mag uns vielleicht etwas wunderlich erscheinen, dass nun eine Frau von der Kanzel spricht, am Altar steht, Kinder tauft. Doch wir werden uns daran gewöhnen«, kommentierte der stellvertretende Leiter der von Bodelschwinghschen Anstalten, Pastor Wilm, als Ilse Tornscheidt in den Gemeindedienst eingeführt wurde.
Als diese 1954 ihr Studium der Theologie abschloss, waren die Möglichkeiten der Gemeindearbeit für Frauen noch stark eingeschränkt. »Vikarin, das war die Anrede, mehr konnten Frauen nicht sein«, erinnert sich Ilse Tornscheidt. Der Einsatz im Gemeindepfarramt, also in der öffentlichen Wortverkündigung, war nicht möglich. Zumeist durften Vikarinnen ausschließlich Frauen und Mädchen seelsorgerisch unterstützen. Sie arbeiteten an Schulen, in Krankenhäusern und Gefängnissen. Für diese Tätigkeiten wurde ihnen die Sakramentsverwaltung in Form einer so genannten »Einsegnung« zugesprochen. Die offizielle »Ordination«, die Einführung in das geistliche Amt, war den Männern vorbehalten.
»Ich wurde am 16. September 1956 in der Wiesenkirche in Soest eingesegnet«, erzählt die Pastorin im Ruhestand. »Da aber der zuständige Superintendent in der entsprechenden Urkunde das Wort ÝOrdinationÜ nicht durchgestrichen hatte, um es durch den Begriff ÝEinsegnungÜ zu ersetzen, gab es eine Diskussion mit dem Landeskirchenamt. Dort hatte man Sorge, er habe eventuell künftigen Gesetzen vorgegriffen und mich doch ordiniert. Das hätte gegen das zu der Zeit aktuelle Gesetz verstoßen.« Den umjubelten Auszug aus der Wiesenkirche hat Ilse Tornscheidt noch lebhaft vor Augen, zumal sie mit Stolz daran denkt, dass die Einsegnung nicht im wenig feierlichen Gemeindesaal erfolgte, wie es durchaus üblich war, sondern am festlich geschmückten Altar.
Von Soest aus führte ihr Weg über Brakel im Kreis Höxter schließlich nach Eckardtsheim. Unterdessen lockerten sich die Theologinnengesetze allmählich - interessanterweise war hierbei die Praxis den Gesetzen voraus. Wo Frauen den Gottesdient ausnahmsweise doch in der Öffentlichkeit vollzogen, wurde er von den Gemeinden angenommen. Die Entwicklung der Kirchengesetze folgte schrittweise nach. »Uns haben nicht Protestaktionen, Revolutionen auf der Straße oder unsachliche Forderungen vorangebracht, sondern der sachlich vollzogene Dienst und treue Einsatz.«
23 Jahre, bis zu ihrer Pensionierung 1989, versah Ilse Tornscheidt ihren Dienst in der Eckardtsheimer Gemeinde. In den vergangenen Jahren war sie außerdem an der Gründung des evangelischen Seniorenwerkes beteiligt, veranstaltete Bücherzirkel und hielt Vorträge. Immer wieder veröffentlichte sie außerdem sowohl besinnliche als auch humorvolle Beiträge im Eckardtsheimer Gemeindebrief. Für Ilse Tornscheid ist sonnenklar: »Mein Hobby ist und bleibt die Gemeinde.«
Im Jubiläumsgottesdienst, der an diesem Sonntag, 17. September, um 10 Uhr beginnt, wird unter anderem Superintendentin Regine Burg eine Ansprache halten. Durch den Gottesdienst führt Pastor Ulrich Pohl.

Artikel vom 16.09.2006