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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


Der Besuch des Papstes in dieser Woche war teuer. Er soll die bayerischen Bistümer 20 bis 30 Millionen Euro gekostet haben. Andere Schätzungen gehen sogar von noch mehr aus. Allein für die Sicherheitsvorkehrungen hätten 50 Millionen aufgebracht werden müssen, so der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft in Bayern, Harald Schneider, auf einer Pressekonferenz.
Viele können da nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Horrende Summen, die man besser gespart oder einem der zahlreichen Elendsgebiete dieser Erde hätte zukommen lassen! Andere beschwichtigen, das Geld fließe schließlich in den Kreislauf der Wirtschaft und komme auf diese Weise in der Form von Steuern und damit auch von Kirchensteuern zumindest teilweise wieder zurück. Außerdem sichere es Arbeitsplätze.
Gemeinsam ist diesen Stimmen die Ansicht, eine solche Ausgabe sei, für sich genommen, eigentlich unverantwortlich. Sie müsse daher entweder ganz abgelehnt werden oder bedürfe einer anderweitigen Rechtfertigung. Wirtschaft und - noch besser - Soziales machen sich dabei immer gut.
Muß man aber bei so viel Geld wirklich ein schlechtes Gewissen haben, oder darf man es auch aus innerer Überzeugung ausgeben, und zwar ohne dabei zu sachfremden Erklärungen und Entschuldigungen greifen zu müssen? Darüber wird es wohl nie eine ungeteilte und einheitliche Meinung geben. Aber es gibt Dinge, die, obwohl sie viel Geld kosten, keinen direkten Zweck erfüllen und sich in ihrem Nutzen auch nicht verrechnen lassen, aber trotzdem in sich sinnvoll sind. Dazu gehört die Kunst und ebenfalls der Sport.
Dazu kann auch ein Ereignis wie der Papstbesuch zählen. Dieser hat ja zu einem Nachdenken geführt, das sonst wahrscheinlich unterblieben wäre. Viele ließ er aufmerken und versetzte sie in Staunen. Die vielen Menschen, die zusammenkamen, das große Interesse, das dieser Besuch in den Zeitungen und im Fernsehen fand, konnten den vielfach geschürten Eindruck sehr nachhaltig in Frage stellen, der christliche Glaube sei in Deutschland nur noch auf dem Rückzug und immer mehr auf dem Wege in eine Randexistenz. Nein, es gibt zahlreiche Christen in diesem Land, und es gibt die Freude am Glauben.
Gerade auch junge Menschen huldigten Benedikt XVI. zu, obwohl er keinem Jugendidol entspricht, sondern auf die Achtzig zugeht. Sie hingen an seinen Lippen, obwohl er kein Repräsentant der Spaßkultur ist, sondern eher den Gegenentwurf verkörpert. Dieser Prediger verlangte, obwohl er nicht über die Köpfe hinwegredete, ein hohes Maß an Disziplin des Zuhörens und des Mitdenkens. Dies wird den visuell eingestellten Menschen der Gegenwart und besonders ihren jungen Vertretern eigentlich abgesprochen und wurde ihm doch - o Wunder - zuteil.
Der Papst ist nicht der Oberhirte aller Christen und auch nicht das Oberhaupt aller Kirchen, aber er ist der Repräsentant der Christenheit, der weltweit als solcher wahrgenommen wird. Deshalb dürfen sich auch Protestanten über das Echo freuen, das seine Verkündigung findet.
Es ist die katholische Ausprägung der christlichen Botschaft. Manches darin, etwa die starke Marienfrömmigkeit, ist und bleibt für evangelische Ohren fremd. Aber in dem eindringlichen Ruf zum Fundament und der Quelle des Glaubens, zu Gott, wie er sich in Jesus Christus offenbart, können sich alle wiederfinden. Dieser Papst, der die geistige Situation Deutschlands und Europas so genau kennt wie wenige andere, weiß, daß es mit ein paar moralischen Appellen und politischen Anmerkungen nicht getan ist. Entweder besinnt sich Westeuropa auf seine geistigen und geistlichen Wurzeln und wird von daher auch zu einem vernunftgemäßen Gespräch mit andere Kulturen fähig oder die innere Verödung und das Gebrechen der Oberflächlichkeit schreiten fort.
Niemand weiß, welch bleibende Impulse von solch einem Besuch ausgehen. Aber auch in sich setzte diese Reise einen so wichtigen Impuls, wie er mit Geld überhaupt nicht zu bezahlen ist.

Artikel vom 16.09.2006