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Aus neun Bauernhöfen wird eine Stadt

»Anno dazumal« hieß Sennestadt noch »Senne II« - Weg zur Umbenennung kompliziert

Von Stefanie Westing
Sennestadt (WB). Ursprünglich handelte es sich um einen Arbeitstitel für ein eiliges Planungsvorhaben - weder im kommunalen noch im postalischen Sinn gab es den Namen offiziell. Bis Sennestadt schließlich diesen Namen bekam, war es ein langer Weg. »Anno dazumal« hieß der heutige Bielefelder Stadtteil Senne II - was allerdings auch zu manchen Verwirrungen führte.

Mitte September 1959 begann eine intensive Diskussion darüber, ob Senne II in Sennestadt - oder vielleicht Teutoburg - umgetauft werden sollte. Der Name Sennestadt tauchte so selbstverständlich überall auf, dass die Frage im Raum stand, warum die Gemeinde nicht längst auch schon offiziell so hieß. Die Bezeichnung »Sennestadt« tauchte hinter Firmennamen, in Publikationen, auf Landkarten auf, die neue Volkshochschule trug diesen Namen, die Trägergesellschaft der neuen Stadt hieß »Sennestadt GmbH« - nur eben offiziell handelte es sich nach wie vor um Senne II.
Die Diskussion führte zu weiteren Fragen: Sollte nur das neu zur Bebauung ausgewiesene Gebiet einen neuen Namen erhalten, oder die gesamte Gemeinde Senne II? Es schien kaum vertretbar, aus einer kleinen Landgemeinde zuerst zwei zu machen, und anschließend eine von ihnen zur Stadt. So gesehen, hatte das heutige Sennestadt zu diesem Zeitpunkt, am 15. September 1959, bereits mehr als 10 000 Einwohner auf einer Fläche, die sogar noch etwas größer war als die des Stadtbezirkes Brackwede.
Ein Argument, das für die Umbenennung sprach, war die Gefahr von Verwirrung. Der »Bahnhof Kracks« zum Beispiel hieß nicht »Bahnhof Senne II«, weil er zu leicht mit »Senne I« (Bahnhof Windelsbleiche) und Sende verwechselt wurde. Auch die Poststation hieß nicht Senne II, sondern Dalbke oder Eckardtsheim. Warum also ließ die Umbenennung so lange auf sich warten? Sicherlich unter anderem auch aus Kostengründen: Allein die Bundesbahn hätte tief in die Tasche greifen müssen, um Kursbücher oder Fahrpläne zu ändern.
Erst im Mai 1962 rückte die »Neuordnung der Ortsbezeichnung« in greifbare Nähe. Bürgermeister Wilhelm Bunte verkündete: »Der Wille des Gemeinderates ist es, dass die bereits in aller Leute Munde geführte Ortsbezeichnung Sennestadt endlich auch amtlichen Charakter trägt.« Oberkreisdirektor Helmut Schütz hatte das Terrain sondiert, Bundesbahn und Bundespost hatten sich einverstanden erklärt - unter der Voraussetzung, dass die Gemeinde die Kosten trägt.
Der »historische Ratsbeschluss« wurde in einer Sitzung unter Leitung von Gemeindedirektor Georg Erdmann am 2. Juni 1962 gefällt. Einstimmig beschloss das Gremium, dass der Name »Sennestadt« künftig für den gesamten Bereich von Senne II verbindlich sein solle. Ein entsprechender Antrag an den Regierungspräsidenten und die Landesregierung sollte gestellt werden.
In der Sitzung hatte Gemeindedirektor Erdmann noch einmal die Geschichte umrissen: Erstmals erwähnt wurde Senne - große Heide - als »Seneti« im Jahr 804. 1530 war Senne II noch keine Ortschaft, bestand aus neun großen Bauernhöfen, die zu Heepen gehörten. Die Bezeichnung »Preußische Bauernschaft Senne II« trat am 1. Januar 1813 in Kraft. 1861 wurde daraus die »Westfälische Landgemeinde Senne II«. Die eigentliche Entstehung der Gemeinde datierte Erdmann auf das Jahr 1868, als die erste Schule in Senne II fertiggestellt wurde. 1874 bekam die Gemeinde ein eigenes Standesamt, 1901 wurde der Bahnhof Kracks gegründet. Von nun an war die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten.
Von dem Tag an, an dem der Rat »grünes Licht« gab für die Umbenennung, dauerte es noch ganze drei Jahre, bis Sennestadt tatsächlich »Geburtstag« feiern konnte - das dann aber gleich im doppelten Sinn. Denn gleichzeitig mit der offiziellen Namensgebung wurden dem einstigen »eiligen Planungsvorhaben« die Stadtrechte verliehen. Die Urkunde überreichte Innenminister Willi Weyer Bürgermeister Hans Vogt am 15. Juli 1965. Bekanntlich war das Vergnügen, als Stadt eigenständig zu sein, nur von kurzer Dauer - bis zur Eingemeindung 1973. Der Name »Sennestadt« aber ist geblieben.
Lesen Sie den nächsten Teil unserer Serie »Anno dazumal« am 13. Oktober. Dann geht es um die Errichtung der Zentralkirche in Sennestadt.

Artikel vom 15.09.2006