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Familienvater zündet sich an

Im Kreisjugendamt mit Benzin übergossen - keine Lebensgefahr

Von Dirk Bodderas
Kreis Gütersloh (WB). Ein 42-jähriger Türke hat sich gestern Morgen im Flur des Kreisjugendamtes an der Wasserstraße in Wiedenbrück mit Benzin übergossen und angezündet. Das beherzte Eingreifen mehrerer Mitarbeiter bewahrte Engin M. (Name von der Redaktion geändert) vor lebensbedrohlichen Verletzungen.


Hintergrund der Tat: Der gegenüber seiner Familie als gewalttätig bekannte Mann wollte unbedingt die Adresse seiner Frau herausbekommen. Sie war am 23. August mit den gemeinsamen drei Kindern verschwunden.
Christoph Busche, Leiter der Abteilung Jugend, Familie und Sozialer Dienst (kurz: Jugendamt): »Wir wissen nicht, wo sich die Frau aufhält und hatten dem Mann bereits empfohlen, sich an die Polizei zu wenden.« Immer wieder hätten ihn Mitarbeiter des Jugendamtes beruhigt, Mittwoch dann habe der Familienvater aus Herzebrock-Clarholz gedroht, sich anzuzünden, wenn man ihm nicht sage, wo sich Frau und Kinder befinden. Schließlich wurde sogar der Sozialpsychiatrische Dienst eingeschaltet.
Mittwochmorgen sei er noch an seiner Arbeitsstelle erschienen, hieß es. Gestern betrat M. dann die Amtsräume, wollte aber nicht mit in eines der Büros kommen, schildert Reinhild Birkenhake, Leiterin der Regionalstelle Süd des Kreisjugendamtes, die Situation. Dann ging alles Schlag auf Schlag. M. habe sie mit einem Zettel, auf dem offenbar Telefonnummern notiert waren, abgelenkt, einen Fünf-Liter-Kanister aus seinem Rucksack gezogen und sich mit Benzin übergossen. Geistesgegenwärtig schlug ihm die schockierte Frau den Behälter aus der Hand, rief um Hilfe. Kollegen kamen hinzu, doch da stand M. schon mit brennendem Feuerzeug vor ihnen, hielt es in die Nähe seines benzindurchtränkten Ärmels - und zündete sich an. Mit Feuerlöschern - Christoph Busche hatte inzwischen einen zweiten geholt, Feuerwehr und Polizei waren alarmiert - gingen die Mitarbeiter gegen die Flammen vor, während Engin M versuchte, sich das Sweatshirt über den Kopf zu ziehen. Er habe sich auf dem Boden gewälzt, geschrien und gezittert und nach seiner Familie gerufen. Christoph Busche ist sicher: »Er wollte nicht sterben.« Dass sich der Vorfall in dem weitläufigen Flur ereignet habe, sei in dieser schrecklichen Situation sogar noch ein Glücksfall gewesen. Hätte sich Engin M. in einem der kleinen Büros angezündet und der Mitarbeiterin auch noch den Weg nach draußen versperrt, wäre die Sache wohl viel schlimmer ausgegangen Und: »Wir werden immer wieder mal bedroht. Aber so etwas ist uns noch nie passiert.«
Wegen des Suizidversuchs wurde die Einweisung Engin M.s in die Westfälische Klinik Gütersloh angeordnet.
Bereits vor drei Jahren hatte sich im Ausländeramt gleich nebenan ein Türke mit Spiritus übergossen und angezündet. Dem Mann drohte wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz die Abschiebung. Er starb kurze Zeit später im Krankenhaus.

Artikel vom 15.09.2006