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Das Ensemble meistert die bösen Wendungen

Hessischer »Polizeiruf 110« ist eine gelungene Mischung aus Krimi, Literaturfilm und Klamotte

Wollte einen reichen Ehemann finden: Rudzija Kalnina.Fotos: ARD

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr: Der Hessische Rundfunk (hr) war auf einige Skepsis getroffen, als er seine Beiträge für die Krimiserie »Polizeiruf 110« von Offenbach nach Bad Homburg verlegte. Zwei ansprechende Kriminalfilme später scheint dem originellen Ermittlerpaar aus Kommissar Thomas Keller (Jan-Gregor Kremp) und Muse Sophie Stein (Inga Busch) das Taunus-Idyll aber bereits zu eng zu werden. In ihrem dritten Fall »Die Lettin und ihr Lover« verlassen sie die wohlhabende Stadt im Speckgürtel Frankfurts und finden an der lettischen Küste eine überraschende Lösung der zuvor ausgebreiteten Verbrechen.
Kremp gibt gleich zu Beginn seine Paraderolle und wacht als übernächtigter Schmerzensmann in einem fremden Bett auf. Schnell steht er im Verdacht, die Wohnungsinhaberin, die junge Lettin Laima (Rudzija Kalnina) vergewaltigt zu haben. Kellers Assistent Norbert (Felix Vörtler) macht sich ehrgeizig auf die Jagd nach seinem Chef und stolpert in manchen Slapstick. Der Kommissar findet opiatgestützte Schmerzenslinderung bei seinem Jugendfreund und Arzt Dr. Grins (Christoph Waltz) und nimmt tapfer die Ermittlungen gegen sich selbst auf. Als dann noch ein Weinhändler ums Leben kommt und Laima in Verdacht gerät, ist der Krimi-Plot perfekt.
Erneut hat Titus Selge das Buch geschrieben und Regie geführt, doch immer noch hat er sich nicht richtig entschieden, in welche Richtung der hessische Polizeiruf gehen soll. »Die Lettin und ihr Lover« ist anspruchsvoller Literaturfilm, Krimi und Polizei-Klamotte zugleich. Das erlesene Ensemble meistert Klippen und Wendungen des Drehbuchs zwar gekonnt, ein stimmiger Gesamteindruck bleibt aber aus. Das Klamauk-Element wird vom Polizisten Norbert und einigen anderen skurrilen, meist übergewichtigen Nebenfiguren getragen, die Selge nach Bad Homburg gepflanzt hat.

Artikel vom 16.09.2006